Jahresrückblick 2018

Am 10. April haben wir unseren ersten Tweet abgesetzt, am 12. Juli den ersten Facebookpost. Seitdem hat sich einiges getan: es wurden Sticker, Fahnen und T-Shirts gedruckt, wir haben nun eine Webseite, über 400 Twitter-Follower*innen und fast 300 Facebook-Likes. Wir freuen uns, dass in den letzten Wochen und Monaten in Tübingen politisch einiges los war und waren teilweise auch in der ein oder anderen Weise beteiligt. Kämpfe um Antifaschismus, Antirassismus, Feminismus, Ökologie und Klimagerechtigkeit, um soziale Themen, und bessere Studienbedingungen bleiben nach wie vor notwendig. Aber der Reihe nach.

Hochschul- und Wissenschaftspolitik

Die Ernst-Bloch-Uni setzt auf gute Zusammenarbeit mit anderen Tübinger Universitäten. So haben wir beispielsweise dem Studierendenrat der sogenannten »Eberhard Karls Universität« vorgeschlagen, dass dieser dem freien zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) beitreten möge. Wir freuen uns sehr, dass die Verfasste Studierendenschaft nun (trotz Gegenwehr von u.a. der Juso-HSG) Mitglied des fzs ist und sich damit bundesweit vernetzt.

Neben solch erfreulichen Beschlüssen gab es allerdings auch einige Absurditäten: Auf Grundlage eines Antrags von ULF, RCDS und LHG beschloss der Studierendenrat, dass er keine »extremistischen« Gruppen mehr fördert oder mit ihnen kooperiert. Auf welcher Grundlage dies geprüft werden soll, ist nicht geklärt. Dass der sogenannte »Verfassungsschutz«, dessen institutionelles Versagen am dramatischsten beim Rechtsterror des »Nationalsozialistischen Untergrunds« deutlich wurde, in Zukunft als Messlatte für die Zusammenarbeit mit politischen Gruppen herhalten soll, erscheint uns äußerst fragwürdig. Dass die Juso-HSG am Antrag mitschrieb und FSVV und GHG einem leicht abgeänderten Antrag zustimmten, statt sich gegen das Denunzieren ihrer Kommiliton*innen auszusprechen, erschreckt uns.

Auch mit dem Rektorat der sogenannten »Eberhard Karls Universität« ergab sich in diesem Jahr ein Austausch. So wurden von deren Kanzler Eingriffe in den Online-Auftritt der Ernst-&-Karola-Bloch-Woche diktiert, da dort angemerkt wurde, dass Burschenschafter in Wix und Couleur auf Veranstaltungen der Bloch-Woche unerwünscht seien. Das Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim war mit dem Flyer der Bloch-Woche ebenfalls nicht ganz zufrieden – da dort zu einer Demo für den Erhalt des Hambacher Forsts aufgerufen wurde, war dem StuWe der Flyer »zu politisch«. Stattdessen musste ein neuer gedruckt werden; auf dem durfte zwar weiterhin auch auf die Demo hingewiesen werden, jedoch ohne Beschreibungstext. Bedenklich, dass gleichzeitig Flyer mit Bundeswehr-Werbung immer wieder an der Uni ausliegen, die wir mehrfach aufräumen mussten.

Im deutschlandweiten Vergleich fallen diese Einschränkungen allerdings noch harmlos aus: studentischer Protest war in diesem Jahr vielfach Ziel von Repressionen, oft sogar von der eigenen Uni-Leitung. In München wurde harmloser Protest gegen neue Polizeigesetze von der Polizei gestoppt, an der TU Berlin ließ die Uni-Leitung eine Audimax-Besetzung unverhältnismäßig von der Polizei räumen, um nur wenige Wochen später einen selbstverwalteten Freiraum auf dem Campus, das Café »Zwille«, zu schließen. In Freiburg wurden Daten der gesamten Studierendenschaft im vermeintlichen Zusammenhang mit dem ohnehin auf tönernen Füßen stehenden »linksunten«-Verbots beschlagnahmt; die Datenträger liegen noch immer beim Landeskriminalamt. An der Humboldt-Uni in Berlin verklagte die Uni-Leitung in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der AfD den Referent*innenrat der eigenen Studierendenschaft, und dies war nur einer der vielen Höhepunkte, wie das dortige Präsidium gegen Studis arbeitet. Von der UdK Berlin wurde dieses Jahr fragwürdige Polizeigewalt bekannt, in Hessen wird in die Autonomie der Studierendenvertretungen eingegriffen, und in Göttingen wurde ein V-Mann des Verfassungsschutzes in der Hochschulpolitik eingesetzt. Er kandidierte dort sogar für das Studierendenparlament und saß in gewählten Gremien – aus unserer Sicht ist es äußerst verstörend, dass staatliche Sicherheitsbehörden und Geheimdienste unsichtbaren Einfluss auf demokratische Selbstverwaltung nehmen wollen. Geheimdienste haben in der studentischen Selbstverwaltung nichts verloren!

Erst vor wenigen Tagen stellte sich dann auch noch heraus, dass in Aachen ein rechter Burschenschafter und Sohn eines NPD-Politikers vom NRW-Innenminster im Rahmen eines Ideenwettbewerbs für ein Ausstiegsprogramm aus dem »Linksextremismus« ausgezeichnet wurde. Er kassierte ein hohes Preisgeld – dass damit der sprichwörtliche Bock zum Gärtner gemacht wurde, ist angesichts der Law-&-Order-Politik, die Reul insbesondere auch bei den Polizeieinsätzen um den Hambacher Forst an den Tag legte, aber leider nicht überraschend.

Dass Hypno-Coach und AfD-Landtagsabgeordneter Stefan Räpple auch in Baden-Württemberg eine – allerdings äußerst kurzlebige – Meldeplattform für missliebige Lehrer*innen und Professor*innen online stellte, zeigt, dass rechte Denunziationskampagnen auch vor Hochschulen nicht halt machen.

Während des Alternativen Dies veranstaltete die TOS (ehemals »Tübinger Offensive Stadtmission«), eine Tübinger »Freikirche«, welche für ihre Position zu Homosexualität (bei der TOS traten in der Vergangenheit bereits selbsternannte »Schwulenheiler« auf), ihren von Pflicht und Gehorsam geprägte hierarchische Struktur und ihre »Dämonenaustreibungen« kritisiert wurde, einen Gottesdienst im Brechtbau, einem Uni-Gebäude. Eigentlich sind seitens der Universität Gottesdienste verboten, da in Landesgebäuden weltanschauliche Neutralität zu wahren ist. Offenbar aus dem Kreise der Philosophischen Fakultät soll die TOS aber beraten worden sein, wie als angebliches Theaterstück der Gottesdienst dennoch in Universitätsräumen stattfinden kann. Wir halten den gesamten Vorgang für skandalös und sehen hier uns und alle Studierenden in der Pflicht, fundamentalistischen Christen und anderen radikalen Gläubigen keinen Fußbreit zu lassen. Durch offene Bibelkreise in den Cafeterien, Angebote speziell für Internationals, oder Campus-nahe Orte wie das Café von Unterwegs e.V. versuchen zahlreiche unterschiedliche religiöse Gemeinschaften Studierende einzusammeln. Zwar muss grundsätzlich zwischen harmlosen Glaubensgemeinschaften und handfesten Sekten differenziert werden, dennoch darf das Drängen der Glaubensgemeinschaften an die Universitäten nicht unwidersprochen bleiben.

Für großes Aufsehen in Tübingen sorgte auch das Demo-Verbot vor der Neuen Aula. Ausgerechnet zum Jahrestag zur Pogromnacht beschloss die Uni-Leitung, keine Demonstration der Aktion Sühnezeichen und des Arbeitskreises Kritischer Jurist*innen auf dem Geschwister-Scholl-Platz zuzulassen – dieser Platz sei kein öffentlicher Platz, Demos könnten vor dem Klubhaus oder der UB stattfinden. Nach Protesten, unter anderem des Arbeitskreises Kritischer Jurist*innen, gegen dieses Verbot ruderte die Uni zurück: man wolle nur nicht mehr alle Demos vor der Neuen Aula zulassen. Auch hier bleibt unklar, nach welchen Kriterien Demos zugelassen werden. Ein Demonstrationsrecht nach Gnade seiner Magnifizenz lehnen wir ab. Dass das Rektorat – auch dank öffentlichem Aufschrei – zunächst wieder Demos, etwa zum Cyber Valley, zuließ, ändert nichts daran, dass über die Ausübung demokratischer Rechte nicht hinter verschlossenen Türen und willkürlich durch den Rektor oder das Rektorat entschieden werden sollte.

Auch auf der studentischen Vollversammlung am 14.11. war das Demo-Verbot Thema; dort wurden außerdem Forderungen im Sinne der Kampagne »Lernen am Limit« verabschiedet und überdies ein Protestkomitee gegründet, dass konkrete Aktionen planen soll. Zudem ging es schon hier um das geplante »Cyber Valley«, das unter anderem unter Beteiligung der sogenannten »Eberhard Karls Universität Tübingen«, der in Tübingen ansässigen Max-Planck-Instiute, Land und Stadt ein Zentrum der KI-Forschung im Neckartal etablieren will. Im Forschungsverbund sind unter anderem auch Amazon, die Schufa und der Rüstungszulieferer ZF Friedrichshafen beteiligt, ethische Probleme kommen in der Diskussion zu kurz – insgesamt ist das »Cyber Valley« symptomatisch für Prestigeprojekte unter großem Drittmitteleinsatz, für die Ökonomisierung der Bildung und den Ausverkauf der Städte.

Am 29.11. lud das Offene Bündnis gegen das Cyber Valley aus diesem Grunde zu einer Demonstration, die wir unterstützten und auf der wir uns mit einem Redebeitrag beteiligten. Im Anschluss daran wurde der Tübinger Kupferbau, ein Hörsaalgebäude, bis zu den Weihnachtsferien besetzt gehalten. Die Besetzung wurde von der Uni-Leitung geduldet; es freut uns, dass auf diese Weise die Thematik ins öffentliche Bewusstsein rückte, wie nicht zuletzt die von den Besetzer*innen organisierte und äußerst gut besuchte Podiumsdiskussion zeigte. Umso bedenklicher also, dass die LHG und Juso-HSG sich im Senat mit der Forderung nach Räumung einer von der Uni-Leitung geduldeten (!) Besetzung blamierten. Begründet wurde dies damit, dass die Besetzer*innen nicht vor ihrer Aktion den Studierendenrat kontaktierten. Die genannten Gruppen offenbaren damit ein Selbstverständnis als Kontrolleur*innen und Gate-Keeper*innen der Studierendenschaft, nicht als deren Partner*innen.

Dass die Besetzer*innen sich die Gelegenheit nicht nehmen ließen, bei der Wiederwahl des Rektors (ohne Gegenkandidat*innen) die fehlende studentische Mitbestimmung zu thematisieren, finden wir großartig. Umso besser, dass sie auch im nächsten Jahr weiter machen und die ganze Stadt zu ihrem Aktionsfeld machen wollen! Hochschul- und wissenschaftspolitisch schauen wir dementsprechend erwartungsvoll auf das Jahr 2019!

Die Kupferbau-Besetzung in Tübingen war auch bei weitem nicht die einzige studentische Protestaktion in diesem Jahr: neben der bereits erwähnten Audimax-Besetzung an der TU Berlin wurde in Hamburg ebenso besetzt wie in Darmstadt, in Gießen, in Köln, in Aachen, in Paris, in Santiago de Chile und an weiteren Orten. Und wir sind uns sicher, dass studentischer Protest auch im kommenden Jahr aktuell bleiben wird.

Dieses Jahr konnten wir übrigens auch den 20. Geburtstag der Bologna-Reformen begehen. In der Rückschau scheint es allzu oft, dass vor den Reformen alles rosig war und nachher alles viel schlimmer, und natürlich haben die Reformen die Studienbedingungen in vielerlei Hinsicht verschlechtert. Doch sind sie ihrerseits Symptom einer sich immer mehr radikalisierenden Ökonomisierung von Bildung und Universitäten, die wir als ganzes bekämpfen und Gegenstrategien entwickeln müssen. Kritik, die bei den Bologna-Reformen stehenbleibt, greift zu kurz.

Abschließend stellen wir fest: Studiengebühren sind scheiße. Und die 2017 von der grün-schwarzen Landesregierung in Baden-Württemberg eingeführten Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer*innen sind nicht nur scheiße, sondern für die »Internationalisierung der Hochschulen«, mit denen sie begründet wurden, auch kontraproduktiv: immer weniger ausländische Studierende studieren im Baden-Württemberg.

Politische Bildung

Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass nach einem Jahr Pause dieses Jahr wieder eine Ernst-&-Karola-Bloch-Woche stattfinden konnte, noch dazu mit einem tollen Programm, und bedanken uns bei allen Beteiligten! Auch wir haben uns sowohl bei der Gesamtorganisation beteiligt, als auch zwei eigene Vorträge organisiert: »Konkrete Utopien 1968: Ernst Bloch und die Neue Linke« mit Alexander Neupert-Doppler und »Konkrete Utopien in der Refugee-Bewegung« mit Lisa Doppler. Denn was wäre eine Bloch-Woche ohne Vorträge mit Bloch-Bezug?

Auch auf dem Alternativen Dies (AlDi) am 25.10. waren wir mit einem Stand vertreten und konnten viele interessante Gespräche mit Studierenden und den anderen Gruppen führen. Eine Woche zuvor hatten wir gemeinsam mit OTFR, Antikorporierter Aktion und Blochifa auf dem von der Uni-Leitung ausgerichteten Dies Universitatis in Flugblättern die Hofierung ultrarechter Burschenschaften auf dem Dies angeprangert und zum AlDi eingeladen. Schön, dass dieser Einladung so viele gefolgt sind!

Direkt im Anschluss an die Bloch-Woche begann die Vortragsreihe des AK Neue Rechte, in deren Rahmen jede Woche ein Vortrag zur Ideologie und politischen Praxis sogenannter »Neuer« Rechter stattfindet. Auch im neuen Jahr warten eine Reihe von Vorträgen auf euch, die wir euch sehr ans Herz legen!

Viele tolle Vorträge gab es auch während der Kupferbaubesetzung: die Besetzer*innen stellten ein umfangreiches Programm auf die Beine, unter anderem zu Technologiekritik, Demokratisierung der Hochschulen und warum ein neuer Bildungsstreik überfällig ist. Wir waren teilweise Mitveranstalterin dieser Vorträge und haben uns sehr darüber gefreut. Auch im nächsten Jahr werden uns diese Themen in der ein oder anderen Weise beschäftigen – ihr dürft also gespannt sein, was da kommt!

Antifaschismus, Antirassismus, Antidiskriminierung

Wir haben dieses Jahr eine ganze Reihe von Demo-Aufrufen unterstützt: zur antirassistischen Großdemo »We’ll come united« am 29. September in Hamburg, zum Aktionstag vom Tübinger Bündnis Bleiberecht am 7. Dezember und zur Demo »Für eine Welt, in der niemand fliehen muss« am 15. Dezember in Stuttgart. Darüberhinaus unterstützen wir die Solidaritätserklärung mit dem Stuttgarter Erzieher Jens, den AfD und CDU um seinen Job bringen wollten, weil er Antifaschist ist. Auch sonst waren wir viel unterwegs: am 31. Mai protestierten wir gegen eine AfD-Veranstaltung mit Jörg Meuthen und Marc Jongen im Hotel Fortuna in Reutlingen, am 16. Juni gegen »Identitäre«, die für etwa eine Stunde spontan auf dem Tübinger Marktplatz ohne größere Außenwirkung ihren Stand aufbauten. Auch beim angeblichen »Bürgerdialog« der AfD am 29. Juni im Reutlinger Spitalhof waren wir am Start – selbstredend aber nicht, indem wir uns auf einen »Dialog« mit den Faschist*innen eingelassen hätten, sondern im Rahmen einer Kundgebung auf dem Reutlinger Marktplatz, die unsere Genoss*innen vom Offenen Treffen gegen Faschismus und Rassismus (OTFR) organisiert hatten. Und als die »Identitären« am 18. August spontan in Stuttgart ihre rassistische Propaganda verbreiten wollten, waren wir ebenfalls zur Stelle, und verunmöglichten gemeinsam mit vielen anderen jegliche Außenwirkung des Infostands.

Am 14. September waren wir gemeinsam mit der Antifa Reutlingen Tübingen erneut in Stuttgart, als dort der sogenannte »Hass-Bus« aus dem Umfeld der »Demo für alle« Station machte. Im lautstarken Protest gegen die sexistischen, homofeindlichen und schlichtweg menschenverachtenden Thesen standen wir an diesem Tag zusammen mit Hunderten Stuttgarter*innen.

Wir werden auch weiterhin rechten Akteur*innen aus der Region konsequent und fortwährend mit Protest begegnen, eine Normalisierung von faschistischen, rassistischen und antisemitischen Positionen werden wir nicht zulassen. Darüber hinaus reagierten wir auch auf überregionale Ereignisse: am 11. Juli reisten wir mit unseren Freund*innen vom OTFR nach München, um anlässlich der Urteilsverkündung im NSU-Prozess gegen das Versagen der Sicherheitsbehörden, institutionellen Rassismus und die Verstrickungen des sogenannten »Verfassungsschutzes« lautstark aufmerksam zu machen. Für uns bedeutet die Urteilsverkündung eben keinen Schlusstrich – umso mehr freuten wir uns, dass das OTFR im Rahmen der Ernst-&-Karola-Bloch-Woche einen Vortrag zu dieser Thematik organisierte. Kein Vergeben – kein Vergessen!

Ein weiteres wichtiges überregionales Thema waren die rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz. Aus diesem Anlass fuhren wir zu einer Kundgebung in Stuttgart am 29. August, die vom Antifaschistischen Aktionsbündnis Stuttgart und Region (aabs) organisiert worden war. Die anschließende Spontandemonstration, bei der wir unsere Wut über den rassistischen Normalzustand auf die Straße trugen, wurde von einem unverhältnismäßigen Polizeieinsatz beendet. Dass eine solche Demonstration gewaltsam aufgelöst wird, in Chemnitz wenige Tage zuvor aber ein rassistischer Mob ungestört wüten konnte, erschreckt uns. Am 6. Oktober unterstützten wir das neugegründete Bündnis »Kandel gegen Rechts« bei ihren Protesten gegen das rassistische »Frauenbündnis Kandel«, und auch als die AfD am 8. Dezember in Stuttgart eine Kundgebung durchführen wollte, waren wir unter den Protestierenden. Und am 22. Dezember demonstrierten wir in Frankfurt am Main gegen eine Nazi-Zelle bei der dortigen Polizei und eine Reihe von Brandstiftungen gegen linke Projekte.

Antifaschismus, Antirassismus und Antidiskriminierung bedeuten aber nicht bloß Protest gegen rechte Demos und Veranstaltungen. Wir unterstützten 2018 auch immer wieder Initiativen, die für eine progressive, solidarische Zukunft streiten. Die wichtigste davon war in diesem Jahr sicherlich die »Seebrücke«-Bewegung. Und so waren wir am 13. Juli bei der Seebrücken-Demo in Reutlingen und am Folgetag bei der Kundgebung in Tübingen, außerdem am 29. September bei der Demo »Seebrücke statt Seehofer« vom Bündnis Bleiberecht in Tübingen dabei. Wir danken den Organisator*innen sehr für ihr kontinuierliches antirassistisches Engagement, den Seenotretter*innen für ihren unermüdlichen Einsatz, und fordern die Aufnahme der 32 Personen, die derzeit auf der »Sea-Watch 3« festsitzen! Die Untätigkeit der europäischen Staaten, das Sterben auf dem Mittelmeer zu beenden, wird für uns wohl leider auch im Jahr 2019 Gründe für vielfältigen Protest liefern.

Nicht zu vergessen: Boris Palmer ist noch immer Tübinger Oberbürgermeister, und noch immer übertreten seine Äußerungen regelmäßig die Grenze zu Rechtspopulismus und Rassismus. Am 23. Juli begleiteten wir darum die Sitzung des Tübinger Gemeinderats, als dieser derartige Äußerungen ausdrücklich missbilligte. Auch die Äußerungen und Skandale der letzten Wochen und Monate bestärken uns in unserer Haltung, dass Palmer als Oberbürgermeister absolut untragbar geworden ist.

Was war sonst noch? Die Antifa Reutlingen Tübingen hat sich im Dezember leider aufgelöst. Wir werden sie vermissen und wünschen den Genoss*innen von Herzen alles Gute! Die Ernst-Bloch-Uni wurde in einem skurillen AfD-Antrag im baden-württembergischen Landtag erwähnt. Und für Überblicke zu rechten Aktivitäten in der Region um Tübingen sowie in Baden-Württemberg empfehlen wir euch die entsprechenden Jahresrückblicke bei Belltower.News und Tübingen Rechtsaußen. Beide zeigen uns: antifaschistisches und antirassistisches Engagement bleiben dringend notwendig. Das Erstarken der Rechten geht auch an Hochschulen und Studierendenschaften nicht ohne weiteres vorbei. Im Januar stehen darum die »Never again!«-Aktionstage des fzs gegen autoritäre und faschistische Tendenzen an. Wir bleiben wachsam. Alerta!

Sozialpolitik

Dass sich immer mehr Tübinger*innen mit Leerstand und Wohnungsnot nicht abfinden können, zeigen die beiden Hausbesetzungen am 7. und 14. Dezember. Nach einem Konzert der Band »Ton Steine Scherben« im Café Haag besetzten Aktivist*innen das Haus Ob dem Viehweidle 21, das seit 8 Jahren leer stand. Nach all den Skandalen um Oberbürgermeister Boris Palmer wurde Tübingen damit endlich wieder #positivbesetzt. Schon 1972 war nach einem »Scherben«-Konzert ein Haus in Tübingen besetzt worden, aus dem später das noch immer bestehende selbstverwaltete Jugendzentrum »Epplehaus« wurde.

Nach dem Eintreffen des Hauseigentümers verließen die Besetzer*innen das Haus gegen die verbindliche Zusage, dass es sehr bald renoviert und dem Wohnungsmarkt zugeführt wird. Die Aktivist*innen kündigten an, dies genau zu beobachten. Auch wir werden das Haus im Auge behalten und auf Einhaltung dieser Zusage pochen.

Nur eine Woche später, am 14. Dezember, wurde das leerstehende Hotel Hospiz in der Neckarhalde besetzt. Die Besetzer*innen protestierten damit gegen den Verkauf des Gebäudes, das der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Tübingen gehört, an eine ominöse und reichlich intransparente Privatstiftung, anstelle eines sozialen Wohnprojekts, das sich ebenfalls um das Haus beworben hatte. Einmal mehr wurden kirchliche Akteur*innen nicht ihrer sozialen Verantwortung gerecht: schon das im Oktober 2016 kurzzeitig besetzte Haus »Wielandshöhe« wurde an einen Investor verkauft, statt dort Freiräume für ein Wohnprojekt zu schaffen. Die Wielandshöhe steht noch immer leer. Wir hoffen, dass dem Hotel Hospiz dieses Schicksal nicht droht, auch uns verwundert aber die Intransparenz, mit der die »Familienstiftung« vorgeht. Zwar gibt sie vor, studentischen Wohnraum zu günstigen Preisen schaffen zu wollen, allerdings wurden keine derartigen Verpflichtungen in den Kaufvertrag aufgenommen und die Stiftung hat bislang kein Konzept vorgelegt. Sollte sie wider Erwarten soziale Ziele verfolgen, kann sie sich unserer Unterstützung sicher sein – in jedem Fall werden wir die weitere Geschichte des Hauses kritisch verfolgen.

Die zwei Hausbesetzungen sind allerdings nur Symptome von Leerstand und Mietwucher, die in Tübingen immer mehr um sich greifen. Die Zweckentfremdungssatzung der Stadt funktioniert kein Stück, immer noch stehen in Tübingen etwa 150 Häuser und 400 Wohnungen leer. Eigentlich vorgesehene Zwangsmaßnahmen, empfindliche Strafzahlungen bis 50.000 Euro und Möglichkeiten der Enteignung werden von der Stadt nicht angewandt, obwohl sie angebracht wären. Im Übrigen können wir nur immer wieder auf die wohnpolitischen Forderungen des Tübinger Wohnraumbündnisses verweisen.

Ökologie

Beherrschendes Thema in der Diskussion um Ökologie und Nachhaltigkeit war in diesem Jahr der Kampf um den Erhalt des Hambacher Forsts im Rheinischen Braunkohlerevier. Im Kampf gegen die sich immer mehr abzeichnende Klimakatastrophe halten Aktivist*innen den Wald nun schon seit Jahren besetzt, er ist zum Symbol für Umweltschutz, aber auch für Kampf gegen große Konzerne und für alternative Lebenskonzepte geworden. Der massive Polizeieinsatz zur Räumung des Waldes, die letztlich nicht in der befürchteten Rodung endete, schockierte viele. Während der Räumung fand am 19. September in Tübingen eine Hambi-Soli-Demo statt, an der wir uns mit einem wunderschönen Hochtranspi beteiligten. Dieses Transpi konnten wir in der Folge sogar am 6. Oktober in den Hambacher Forst tragen, und auch beim Climate March Tübingen am 20. Oktober, dessen Unterstützerin wir waren, war unser Transpi am Start.

Wir freuen uns, dass dieses Jahr erneut die »Week of Links« als studentische selbstorganisierte Woche für Nachhaltige Entwicklung stattfand. Nachdenklich stimmt uns der mögliche Wegfall des »Kompetenzzentrums Nachhaltige Entwicklung« an der sogenannten »Eberhard Karls Uni«. Es ist die falsche Zeit, um im Bereich Nachhaltigkeit Stellenabbau zu betreiben. Die Studentischen Vertreter*innen im Beirat für Nachhaltige Entwicklung haben deshalb eine Online-Petition gestartet, um auf den Erhalt des Kompetenzzentrums zu drängen.

Ausblick

Was bringt das Jahr 2019? Schwer zu sagen. Die Klimakatastrophe wird wohl weiter voranschreiten, und auch das politische Klima wird sich angesichts von Europawahl und Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen, Sachen wandeln – die Richtung ist schwerlich absehbar. Politische Freiräume in zusehends gentrifizierten Städten geraten immer mehr unter Druck, wie eine ganze Reihe von Fällen in Berlin beweist. Daneben sind Hasi in Halle/Saale, das AZ Köln, die Rote Straße in Göttingen und weitere akut räumungsbedroht, auch der Solidaritätsorganisation »Rote Hilfe« droht das politisch motiverte Verbot. Wir werden uns auch weiterhin mit der politischen Rechten herumschlagen müssen, auch und gerade an Hochschulen. Erst kürzlich zeigte eine taz-Recherche, wie Burschenschaften und Korporierte durch den Einzug der AfD in den Bundestag an Einfluss gewinnen. Dazu passt, dass einer Tübinger Aktivistin, die eine Kundgebung gegen den »Bürgerfrühschoppen« der Tübinger Verbindungen angemeldet hatte, bis zu 5.000 Euro Strafe droht – falls ihr also noch Weihnachtsgeld übrig haben solltet, bitte hier entlang.

Dieser anstehende Gerichtstermin ist leider nicht das einzige politische Verfahren, das bald ansteht: am 2. Januar soll sich der Gewerkschafter Tobias Kaphegyi, stellvertretender Vorsitzender des DGB-Kreisverbands Tübingen, vor dem Gericht verantworten, weil er eine Solidaritätsaktion mit streikenden real-Beschäftigten durchgeführt hat. Wir fordern: keine Kriminalisierung gewerkschaftlicher Arbeit, Schluss mit dem Klassenkampf von oben! Eine Kundgebung anlässlich des Verfahrens findet am 2. Januar ab 8:45 Uhr vor dem Tübinger Amtsgericht statt.

Weitere Termine im Januar: am 12. Januar findet eine Demo gegen neue Polizeigesetze in Freiburg statt, am 19. Januar heißt es in Tübingen wieder einmal »Für eine zukunftsfähige Landwirtschaft«, und natürlich geht auch die Vortragsreihe zur Neuen Rechten weiter – wie in den letzten Monaten meistens dienstagabends im Kupferbau. Daneben finden einige interessante Veranstaltungen zur linken Geschichte statt: die Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstaltet am 8. Januar den Vortrag »Die Legende vom ›Spartakusaufstand‹« mit dem Historiker Jörn Schütrumpf und am 28. Januar den Vortrag »Eine Leiche im Landwehrkanal – Die Ermordung der Rosa L.« mit Klaus Gietinger anlässlich des 100. Jahrestags der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Und am 22. Januar veranstalten Antifaschistische Aktion (Aufbau) Tübingen und VVN-BdA Tübingen einen Vortrag zu Jugendlichen im antifaschistischen Widerstand am Beispiel von Hans Gasparitsch und der Stuttgarter Gruppe G (jeweils 20 Uhr im Club Voltaire). Wir legen euch diese Termine wärmstens ans Herz!

Dank

Trotz aller Widrigkeiten und Rückschläge bleiben wir am Ball und werden auch weiterhin für eine demokratische Uni und eine kritische Studierendenschaft kämpfen. Wir freuen uns auf das Jahr 2019, und wir danken allen, die uns im vergangenen Jahr politisch begleitet haben. Wir hatten das große Glück, viele tolle Menschen kennenlernen zu dürfen – in Tübingen, anderswo, oder auch nur über Twitter. Insbesondere danken wir der Fachschaftenvollversammlung, der Grünen Hochschulgruppe und [’solid].SDS für ihren Einsatz im Studierendenrat und darüber hinaus. Wir danken Ende Gelände Tübingen, dem Bündnis Bleiberecht, dem Tübinger Wohnraumbündnis und dem Offenen Bündnis gegen das Cyber Valley für ihre Demos und Aktionen. Und wir danken dem OTFR für seine kontinuierliche antifaschistische Arbeit. Wir hoffen auf weiterhin gute Zusammenarbeit und wünschen euch allen einen guten Rutsch ins Jahr 2019!

Die Ernst-Bloch-Uni ist offen für euch. Nur zusammen können wir auch 2019 gestalten. Schreibt uns, per Twitter, Facebook oder Mail, oder sprecht uns bei unseren Veranstaltungen an. Wir freuen uns auf euch!