Tübingen bleibt politisch! Unser Rückblick zur studentischen Vollversammlung am 14.11.2018

Vergangenen Mittwoch rief das Bündnis »Lernfabriken …meutern!« und der fzs zu bundesweiten Vollversammlungen auf, um unter anderem mehr Lehrende,  bedinungsloses Bafög und die Bekämpfung von Leerstand zu fordern. Auch Tübingen beteiligte sich. Rund 100 anwesende Student*innen aus unterschiedlichen Fachbereichen und politischen Zusammenhängen diskutierten ausführlich über die Forderungen des fzs. Größter Widerspruch herrschte über die Frage, ob man sich mit den utopisch klingenden Forderungen nicht unglaubwürdig mache. Auch wurde diskutiert, ob man sich an die gesetzlichen Beschränkungen halten sollte und die Forderungen daher auf sogenannte »Hochschulpolitik« begrenzen solle. Die Anwesenden schlossen sich schließlich mehrheitlich dem Antrag an und fügten hinzu: »Schluss mit Leistungsdruck in Schule, Ausbildung, Studium und Gesellschaft!« Die Tübinger Studierendenschaft bleibt damit #konkretUtopisch.

Der Studierendenrat war zwar Veranstalter dieser Vollversammlung und versuchte, mittels einer Einführung in seine und die universitären Strukturen, einen Überblick über Finanzen und einen – informativen und guten! – Vortrag über Mietrecht durch Prof. Dr. Huber von der Juristischen Fakultät der studentischen Vollversammlung einen Rahmen zu bieten. Die anwesenden Studierenden ließen sich aber durch vermeintliche rechtliche Grenzen – etwa, dass formal nur Forderungen an den Studierendenrat gestellt werden dürften – nicht mundtot machen. Nicht der StuRa, sondern nur sie selbst, so die Meinung aus dem Plenum, könnten sich befreien.

Insgesamt fünf Anträge wurden besprochen, wovon nur drei rechtzeitig eingegangen und daher abgestimmt werden konnten. Neben dem Antrag des fzs wurden die Frage, ob sich die Studierendenschaft verstärkt für Wohnraum einsetzen solle, diskutiert. Dies könne ganz konkret durch Beteiligungen an Wohnprojekten – eine rechtlich bisher völlig offene Fragestellung –, durch rechtliche Beratung in Wohn- und Besetzungsfragen oder ideelle Unterstützung der Studierenden erfolgen. Was möglich gemacht werden kann, so der Wunsch der Vollversammlung, soll möglich werden.  Wir wissen auch: Nur konsequente Arbeit in und mit den Gremien, Arbeitskreisen und im Studierendenrat kann diesen aus seinem geistigen und politischen Leerstand reißen. Die geistige Instandbesetzung der Universität und ihrer studentischen Gremien ist morgen so nötig wie gestern. Der dritte Antrag behandelte das von Schließung bedrohte Kompetenzzentrum für Nachhaltige Entwicklung. Die Universität müsse hier ihre Verantwortung für sich und die Welt wahrnehmen und dürfe dieses Vorzeigeprojekt nicht einstellen, so die fast einstimmige Meinung der Anwesenden.

Drei kurze Vorstellungen von Projekten stellen in den Mittelpunkt, dass die Studierenden in Bewegung kommen müssen: Zunächst das Projekt »BeTaBalance« des Hochschulsports, welches Studierende Bewegungsangebote im Alltag schmackhaft machen möchte. Wer sich nicht aus der Uni-Bibliothek oder vom Sofa traut, wird die Welt nicht ändern können. Gehen wir es gemeinsam an. Gründet Antifa-Sportgruppen, organisiert euch in Lauftreffs, bildet Bezugsgruppen! 

Danach stellte sich die Week of Links vor, welche Studierende zu Nachhaltigerem und Umweltgerechtem Handeln bewegen möchte. Aktiv werden können die Studierenden auch beim Widerstand gegen das sogenannte Cyber Valley, ein äußerst intransparentes Projekt unter Beteiligung der Universität, welches Rüstungs- und KI-Hersteller in der Region forschen lassen soll. Mehr Infos zur Gruppe findet ihr auf nocybervalley.de. Vom Cyber Valley wird nicht nur Krieg ausgehen, es stärkt auch die kapitalitische Ausbeutung und Unterdrückung  und zerstört bei der Herstellung dieser nachhaltig die Tübinger Stadtgesellschaft. 

Abschließend waren zwei nicht mehr rechtzeitig eingegangene Anträge Thema. Die Anwesenden kritisierten ein schnelles und unnötiges Einknicken gegenüber der Forderung des Kanzlers der Universität, man möge Burschenschafter in Wix und Couleur auf die Veranstaltungen der alternativen Semestereröffnung Ernst-&-Karola-Bloch-Woche lassen. Freiräume werden damit angegriffen und das Selbstbestimmungsrecht der Studierendenschaft eingeschränkt. Dass das Rektorat den schlagenden und oft rechtskuschelnden Verbindungsstundenten näher steht als der gewählten Studierendenvertretung ist kein Geheimnis. Dass Studierende jedoch derart schnell Formulierungen zurücknehmen und selbst hinter von der Uni praktizierte Regelungen zurückfallen (Verbot von Wix auf dem Dies Universitatis), wurde in der studentischen Vollversammlung schlecht aufgenommen. 

Ganz aktuell sind studentische Gruppen in Tübingen durch Repressionen durch das Rektorat betroffen. Der Arbeitskreis Kritischer Jurist*innen hatte eine Kundgebung auf dem nach den studentischen Widerstandskämpfer*innen Sophie und Hans Scholl benannten Platz vor der neuen Aula beantragt. Anlässlich des 80. Jahrestag der Novemberprogrome sollte an die Unterstützung des Faschismus durch eines Großteils der Professorenschaft in Tübingen erinnert werden.  Das ausgerechnet auf dem Platz, auf welchem einst Nationalist*innen ihren Führerkult nachgehen durften, durch die Führung der Universität,  Kritik und Erinnerung an dieses dunkle Kapitel der Tübinger Universität verboten wurde, ist eine Schande. Inzwischen hat sich der Kanzler der Uni geäußert, dass es sich hierbei um einen von ihm bereuten Fehler handele, die Regelung solle aber nicht aufgehoben werden. Wir fragen uns: Wenn die Nazivergangenheit der Uni kein hochschulpolitisches Thema sein darf, welches darf dann eines sein? Die Ernst-Bloch-Uni fordert freien Zugang für alle Mitarbeiter*innen, Universitäts- und StuWe-Angestellte und alle Studierenden zu diesem Platz – auch und gerade für Proteste und Kundgebungen. Die Universität sind wir alle, machen wir das nicht abhängig von der Gnade des Rektorats! 

Im Anschluss an die Vollversammlung vereinbarten einige Anwesende ein weiteres Treffen, um ein Protestkomitee zu gründen. Ein erstes Treffen soll am kommenden Donnerstag um 18 Uhr stattfinden. 

In Zeiten der Bespitzelung von demokratischen Hochschulgremien, dem Verbot von antifaschistischem Protest und der Unterdrückung der studentischen Selbstverwaltung, ist eine Politisierung der Studierenden unbedingt notwendig. Diese muss auch gegen den Studierendenrat als Mittel der Drosselung und Verhinderung von selbstbestimmter Bildung stattfinden. 

Es lebe die interfakultäre Solidarität!
Für Opposition und Widerstand!
Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!
Organisiert euch!

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