Unser Redebeitrag auf der Kundgebung gegen das Cyber Valley am 16. Februar

Am 16. Februar lud das Offene Bündnis gegen das Cyber Valley zu einer Kundgebung auf dem Tübinger Holzmarkt ein. Wir beteiligten uns mit einem Redebeitrag, den wir hier dokumentieren:

»Moin Moin Ernst Bloch!

Vielen Dank, dass ich hier heute ein paar Worte zur Tübinger Hochschulpolitik und aus der Tübinger Hochschulpolitik sagen darf. Ich bin bei der Ernst-Bloch-Uni und in einer Fachschaft aktiv und natürlich machen wir uns auch dort Gedanken, welchen Beitrag wir zum Protest gegen das Cyber Valley leisten können. Dabei kamen wir auf die Idee, eine Vortragsreihe zu organisieren. Damit haben wir schon ein wenig Erfahrung und wir hoffen, damit einen kleinen Teil zu der Debatte beitragen zu können.

Also haben wir uns ein Konzept überlegt, Referent*innen angeschrieben, einen Hörsaal gebucht – alles easy. Bis dann ein paar Tage darauf eine Mail von einem Menschen aus der Uni kam: Die Wissenschaftler*innen der Uni würden gerade ebenfalls eine Vortragsreihe zum Thema Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen planen, ob man sich da nicht gegenseitig Publikum wegnimmt und ob wir unsere Reihe vielleicht auf das Wintersemester verschieben könnten.

Natürlich gab es daraufhin aus unseren Reihen erstmal Empörung. Zwei Vortagsreihen zur gleichen Zeit, welche soll man dann also verschieben? Natürlich unsere… Aber eigentlich hatte der Herr, der uns diese Mail geschrieben hat, Recht. Seit der Hörsaalbesetzung, als die Proteste sich also konkret gegen die Uni gerichtet hatten, gibt es gefühlt jeden Tag einen Vortag, Diskussionen oder andere Veranstaltungen über KI, Digitalisierung und Maschinelles Lernen, die meisten davon organisiert von der Uni.

So wurde bereits ein paar Tage nach Beginn der Besetzung die Homepage des Cyber Valleys aktualisiert, das MPI hat ein FAQ über das Cyber Valley erstellt, die Uni hat eine Stellungnahme über Wohnungsnot veröffentlicht und es gab eine groß beworbene ›Science Notes‹-Veranstaltung über KI & das Cyber Valley, über das auch Campus TV groß berichtet hat. Und dann gibt es eben noch die bereits erwähnte ›Studium Generale‹-Reihe der Uni kommendes Semester.

Wir wissen nicht, wie es euch geht, aber für uns war die Kritik an der derzeit geplanten Form von KI-Grundlagenforschung nur ein kleiner Teil des Protests. Was die Uni gerade macht, ist, den Protest gegen das Cyber Valley auf Kritik gegen KI zu beschränken; nach dem Motto: ›die Menschen haben doch bloß Angst vor künstlicher Intelligenz, wir müssen die halt Informieren, wie toll das alles ist, dann gibt es nichts mehr zu kritisieren.‹

Es ist schön, wenn es Vorträge darüber gibt, wie Maschinelle Lernen in der Augenheilkunde eingesetzt wird, aber uns geht es eigentlich um viel mehr. Dem Protest gegen das Cyber Valley, der sich insbesondere in der Kupferbau-Besetzung artikulierte, ging es auch nicht um derartige Themen. Im Mittelpunkt standen stattdessen die fragwürdigen Kooperationen, die das Cyber Valley für unsere Uni bedeutet! Es ging im Kupferbau unter anderem um Amazon: Ein Unternehmen, das Mitarbeiter*innen ausbeutet und sich ein weltweites Monopol aufbaut. Mit diesem Unternehmen will die Uni Tübingen – unsere Uni – über Ethik in der KI forschen? Das ist fast so lustig, wie mit Facebook über Datenschutz zu forschen…

Die Uni hat die Schufa mit in das Projekt Cyber Valley eingeladen, damit die Schufa fairer wird. Dahinter steckt das Argument, die Schufa hätte aktuell noch nicht genug Daten und könnte noch nicht gut genug auswerten, wer wirklich Geld bekommen solle und wer nicht, um gerecht zu sein. Und zugleich behauptet das Cyber Valley, unsere Gesellschaft voran bringen zu wollen. Indem alle Pläne geheim gehalten werden, möglichst wenig über konkrete Vorhaben informiert wird und Öffentlichkeit und Studierendenschaft keine Möglichkeiten zur Mitbestimmung haben?

Über genau diese Themen sollte es mehr Vorträge und Veranstaltungen geben! Aber da sind wir alle gefragt. Immer nur nach einer demokratischeren Uni zu rufen bringt nichts, wenn sich am Ende niemand wirklich dafür engagiert. Den Informatiker*innen bloß vorzuwerfen, ihre Veranstaltungen würden die falschen Themen behandeln, ist ebenfalls kurz gegriffen. Immerhin bemühen sie sich zusehends, ihre Forschung in die Öffentlichkeit zu bringen. Vielmehr sollten die Geistes- und Sozialwissenschaftler*innen mal ihren Arsch hochbekommen und sich wirklich öffentlich an der Debatte beteiligen.

Also werdet aktiv in der universitären Selbstverwaltung! Geht in die Fachschaften, Gremien oder was auch immer und engagiert euch!

Und natürlich: kommt zu unserer Vortragsreihe über das Cyber Valley, kommendes Semester jeden Dienstag um 20 Uhr im Hörsaal 21 im Kupferbau, den kennen ja die meisten!«