Das Rektorat spricht nicht für die Universität!

Mit einer Pressemitteilung übt das Rektorat der Eberhard Karls Universität Druck auf den Gemeinderat in der Entscheidung um die Ansiedlung von Amazon aus. Das Bündnis gegen das Cyber Valley, der Arbeitskreis Kritische Vortragsreihe Cyber Valley sowie die Ernst-Bloch-Uni-Hochschulgruppe wehren sich gegen den Versuch, die Universität so zu instrumentalisieren. 

Bemerkenswert an der Pressemitteilung der Universitätsleitung ist zunächst die Formulierung, dass „die Universität an alle politisch Verantwortlichen in der Stadt Tübingen appelliert“. Für alle weiteren Zitate wird Rektor Engler als Quelle genannt. Steht es dem Rektor einer Universität zu, in solch kontroverser Angelegenheit für die Universität als Ganzes zu sprechen?

Denn die Kernaussage des als Pressemitteilung getarnten Appells ist steil: Nur mit Amazon – und zwar an genau diesem Ort und zu diesen Bedingungen – sei eine ethisch reflektierte KI-Forschung möglich. Deshalb seien „sachfremde Erwägungen“ z.B hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und Steuervermeidung des Konzerns zugunsten der – offenbar wissenschaftsimmanenten – Strahlkraft des Amazon-Konzerns nicht zu berücksichtigen. Werde Amazon der Bau eines Entwicklungszentrums in Tübingen „verwehrt“, „wäre dies ein verheerendes Signal an KI-Forscherinnen und -Forscher weit über Deutschland hinaus.“ 

„Ähnlich wie der Rektor wünsche ich mir auch, dass an Künstlicher Intelligenz in einem Umfeld geforscht wird, das sich zur gesellschaftlichen Verantwortung von KI-Forschung bekennt. Die Zusammenarbeit mit Amazon steht dem jedoch diametral entgegen. Gesellschaftliche Verantwortung heißt hier eben auch, nicht mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die ihre Mitarbeiter*innen ausbeuten und den Einzelhandel systematisch verdrängen.“, meint Jacob, aktiv im freien zusammenschluss von student*innenschaften.

Dass sich eine Universitätsleitung im Namen „der Universität“ an den Gemeinderat wendet und dabei z.B. das Zahlen von Steuern als „sachfremde Erwägung“ klassifiziert, während sie die Signalwirkung des Verkaufs städtischer Flächen an Amazon an eine internationale Forscher-Community offenbar als ureigenes Interesse des Gemeinderates ansieht, ist bizarr. „Noch vor zwei Wochen stand das Rektorat mit uns auf der Straße, um für eine ausreichende Finanzierung der Universitäten aus Landesmitteln zu demonstrieren. Nun so unverhohlen für die Ansiedlung eines Steuervermeiders zu werben, zeugt von Doppelmoral.“ so Hanna, die in der Ernst-Bloch-Uni-Hochschulgruppe aktiv ist.

Grob irreführend ist auch die Formulierung, der Bau eines Entwicklungszentrums würde „verwehrt“ werden. „Amazon könnte irgendwo im Cyber Valley – zwischen Tübingen und Vaihingen – auf dem privaten Immobilienmarkt ein Gebäude anmieten, will sein Entwicklungszentrum aber genau dort, zwischen den Max-Planck-Instituten, den Cyber Valley-Gebäuden und dem Startup-Campus bauen.“, so Hanna weiter. Das koste auch nur eine halbe Millionen Euro. „Es geht hier nicht darum, irgendwem irgendetwas zu verbieten. Es geht um die Frage, ob man Amazon devot den roten Teppich ausrollen will oder nicht.“

„Es ist für mich völlig unklar, woher der Zwang kommt, unter allen Umständen zum Standort Nummer eins aufsteigen zu müssen. Die Region zählt zu den wohlhabendsten in Europa. Brauchen wir hier wirklich noch mehr Wachstum und Ausverkauf? Das ist nicht nur ökologisch und sozial unter keinen Umständen tragbar, sondern nimmt auch anderen Regionen in der Welt die Möglichkeit, sich wirtschaftlich zu entwickeln. Nachdem nicht nur der Technologiepark, sondern nun auch der Horemer schon fast vollständig verkauft bzw. optioniert sind, stellt sich die Frage, wo all die weiteren Unternehmen und Institute noch Platz finden könnten, die nun durch die Strahlkraft Amazons angelockt werden sollen. Was, wenn nach ZF, Bosch und Amazon noch weitere Cyber Valley Partner hier bauen wollen? Das ist doch purer Größenwahn – eine andere Erklärung erschließt sich mir nicht! In meinem Namen spricht das Rektorat ganz sicher nicht!“ meint Maxi, Student an der Uni Tübingen und aktiv im Bündnis gegen das Cyber Valley.

Was ganz klar gesagt werden muss: Das Rektorat spricht hier nicht für die Universität. Denn ohne Studierende – die sich schon bald keinen Wohnraum mehr leisten könnten –, ohne einen starken Mittelbau, ohne Mitarbeiter*innen, ohne Professor*innen, die in Forschung und Lehre aktiv sind, kann eine freie und emanzipatorische Universität nicht gedacht werden. Lukas vom Arbeitskreis Kritische Vortragsreihe Cyber Valley: „Das Rektorat hat offenbar ein Interesse an einem Cyber Valley, das von übermächtigen, ausbeuterischen Konzernen abhängig ist. Diesem ‚Leuchtturm‘ wird alles untergeordnet – ob es danach noch eine funktionierende Stadt und Universität gibt und wie die Interessen des Rektorats im Widerspruch zu denen der anderen Uni-Angehörigen stehen, ist nachrangig.“

Für Rückfragen steht Ihnen gerne Jacob Bühler zur Verfügung.
(Tel. +49 157 72532231; E-Mail: jacob@blochuni.org)

Kein (Bau-)Grund für Amazon! Aufruf zur kritischen Begleitung der Gemeinderatssitzung am 14.11.

Bei der nächsten Sitzung des Gemeinderates am 14.11.2019 steht der Verkauf weiterer kommunaler Flächen für den Weltkonzern Amazon an. Der Konzern ist für Steuervermeidung, Monopolbestrebungen, miserable Arbeitsbedingungen und eine systematische Bekämpfung des Datenschutzes bekannt. In Tübingen will Amazon Forschung zu Künstlicher Intelligenz betreiben. Die daraus entstehende Demokratie- und Freiheitsrechte gefährdenden Technologien verkauft der Konzern schon jetzt an Polizei-& Geheimdienstbehörden weltweit, auch in autoritären Staaten.

Der Konzern steht darüber hinaus für die Ausweitung von möglichst günstigem Konsum – ein Ziel, das uns noch weiter in Krise der Klima- und Naturzerstörung hereintreiben wird.Außerdem besteht die Gefahr, dass die ohnehin angespannt Wohnsituation, wie in anderen Orten mit Amazon-Forschungszentren, durch den Anziehungseffekt des Konzernes verbunden mit dem Cyber Valley sowie dem Industriepark eskaliert. Machen wir es also wie die Bevölkerung von New York und Berlin, die Amazon und Google aus ihren Orten vertrieben haben. Gehen wir zur öffentlichen Gemeinde-ratssitzung ins Rathaus!

Donnerstag 14.11.2019 ab 17 Uhr – evtl. 22 Uhr

Public Advisory Board: Das Cyber Valley entzieht sich weiterhin der öffentlichen Kontrolle

Der Arbeitskreis Kritische Vortragsreihe Cyber Valley und das Bündnis gegen das Cyber Valley lehnen das Public Advisory Board des Cyber Valley in der vorgestellten Form ab. Die Einrichtung eines Gremiums zur Kontrolle der Forschungsvorhaben sei grundsätzlich wünschenswert. Kritisiert werden dagegen die weiterhin intransparenten Vorgänge rund um das Cyber Valley, auch in Bezug auf das Public Advisory Board. Zudem sei ein Gremium nach den vorliegenden Entwürfen nicht in der Lage, die Forschungskooperation effektiv zu kontrollieren.

So führt Lukas Weber vom AK Kritische Vortragsreihe aus: „Wir begrüßen ausdrücklich die Einrichtung des Public Advisory Boards, zeigt dies doch, dass der Protest nicht ungehört bleibt. Ein Gremium jedoch, das weder Stimm- noch Vetorecht zu den Forschungsanträgen hat, stellt keine effektive Kontrollinstanz dar.“ Laut Pressemitteilung des Cyber Valley wird der Beirat nur die Möglichkeit haben, gegenüber dem Research Fund Board Empfehlungen auszusprechen, Bedenken zu äußern und sich an dessen Diskussionen zu beteiligen. Im Research Fund Board wiederum findet die eigentliche Entscheidung statt, ob ein Förderantrag bewilligt wird oder nicht. Das jedoch entscheidet lediglich nach Kriterien der Exzellenz und lässt ethische, soziale und ökologische Aspekte außen vor.

Auch in Puncto Transparenz lasse der Umgang mit dem Public Advisory Board zu wünschen übrig: „Vor der Pressemitteilung war von offizieller Seite nichts über die Einrichtung des Gremiums zu hören. Das hätten wir uns bei einem Beirat, der demokratisch und ausdrücklich öffentlich sein soll, anders erwartet.“ Nur dank guter Vernetzung und Informationen von einigen wenigen Listen des Tübinger Gemeinderats konnte man im Voraus überhaupt etwas von der Einrichtung des Boards erfahren. Und nach der Pressemitteilung? „Weiterhin bleiben einige Aspekte des Beirats unklar: Wie genau wird das Gremium funktionieren? Werden die Sitzungen oder wenigstens die Protokolle öffentlich sein? Wie findet die Rückbindung der Mitglieder an die Öffentlichkeit statt? Nach welchen Kriterien befindet das Board über Anträge?“ Diese und viele weitere Fragen müssten schleunigst geklärt werden.

Leo vom Bündnis gegen das Cyber Valley fügt hinzu: „Das Public Advisory Board wird lediglich in die Projekte einbezogen, die durch den Cyber Valley Research Fund finanziert werden sollen – mit einem Volumen von 5 Mio. Euro in den kommenden vier Jahren. Dies ist nur ein winziger Teil des gesamten Ökosystems „Cyber Valley“. In die Forschung des geplanten Amazon-Entwicklungszentrums, des Bosch-Forschungszentrums, des MPIs und der erhofften Startups wird es keinerlei Einblick haben. Kritische Forschungsvorhaben können problemlos am Gremium vorbei als Drittmittelprojekte, in Startups oder den Entwicklungszentren durchgeführt werden und trotzdem Angehörige der Uni oder des MPI einbeziehen. Hier wird Transparenz und ethische Reflexion nur simuliert, eine Kontrolle der Forschung z.B. von Amazon ist damit keineswegs gegeben.“

Unabhängig von den konkreten Kritikpunkten am Beirat selbst warnt Leo: „Die Existenz des Public Advisory Boards als Kontrollinstanz sollte uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass am Cyber Valley als Projekt insgesamt weiterhin viel Kritik angebracht ist: Sei es die enge Zusammenarbeit mit problematischen Unternehmen oder der Fokus auf schnelle wirtschaftliche Verwertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse.“ 

Beide Gruppen wollen weiterhin am Anliegen festhalten, das Cyber Valley und dessen Umgebung kritisch zu begleiten und sich für eine stärkere Einbeziehung der Öffentlichkeit einzusetzen. Die neu eingesetzten Mitglieder des Public Advisory Boards werden hierzu herzlich eingeladen.

Das Cyber Valley hatte in einer Pressemitteilung vom 27.08.2019 die Einrichtung und Besetzung des Public Advisory Boards bekanntgegeben. Vorangegangen waren seit 2018 anhaltende Proteste u.a. des Bündnisses gegen das Cyber Valley, in denen vor allem die Nähe der Forschungskooperation zur Wirtschaft, insbesondere auch zur Rüstungsindustrie, sowie intransparente Strukturen kritisiert wurden.

Verantwortlich im Sinne des Presserechts:
Jacob Bühler
Wilhelmstraße 30
72074 Tübingen
vortragsreihe@blochuni.org

Kupferbau goes Gemeinderat

Nach 21 Tagen der Besetzung haben wir, die Besetzer*innen des Hörsaals 21 im Kupferbau, uns entschlossen, mit unserem Protest in eine neue Phase einzutreten.
Über Monate hinweg haben politisch und administrativ Verantwortliche an Universität und Stadt, aber auch viele der lokalen Medien versucht, eine kritische Debatte zum Cyber Valley gar nicht erst zustande kommen zu lassen. Durch unsere spontane Besetzung am 29.11. war Schluss damit! Wir haben einen sozialen Raum zur kritischen Debatte und Reflexion geschaffen – und dies auch mit vielen Themen weit über das Cyber Valley hinaus.

In den folgenden Tagen und Wochen ermöglichte es der von uns genommene, basisdemokratisch organisierte Freiraum, dass es zu einer breiten öffentlichen Debatte zum Cyber Valley, aber eben auch zu weiteren gravierenden Problemen, wie der katastrophalen Wohnraumsituation und fehlenden demokratischen Mitbestimmungs- und Kontrollmöglichkeiten kam.

Tübingen hat sich verändert! Nicht nur erfolgten in den letzten Wochen eine Vielzahl weiterer Proteste und Besetzungen, der öffentliche und soziale Raum der Stadt hat sich geändert. Kritische Debatte ist nicht mehr auf private Räume und Veranstaltungen beschränkt, sie ist Stadtgespräch. Dies ist keinesfalls allein Verdienst von uns Kupferbaubesetzer*innen, aber wir sehen durchaus unseren zentralen Anteil daran.

In dieser neuen Situation und Dynamik haben wir uns entschlossen, unseren Protest auszuweiten und zu verlagern. Es ging noch nie nur um die Universität, es ging schon immer um die ganze Stadt. Deswegen werden wir nun erst einmal die Nutzung des Hörsaals 21 wieder ermöglichen und in den kommenden Tagen, Stück für Stück, entsprechend unseres basisdemokratisch beschlossenen Verhaltenskodex unsere Materialien und Infrastruktur wieder abbauen und aufräumen. Dies ermöglicht es uns, nicht mehr nur kritische Auseinandersetzung an einzelnen Punkten zu führen, sondern überall. Wir unterliegen nicht der Illusion, dass die Debatte, die nun ins Rollen gekommen ist, für nachhaltige Veränderungen ausreichend ist oder von selbst durch Strukturen der Stadt oder Universität aufrechterhalten wird. Wir haben diesen Freiraum und wir haben diese kritische Debatte erkämpft! Sie wurde erst Realität, als Menschen sich überall in Tübingen gegen Alltagstrott, Angepasstheit und Bevormundung gewehrt haben. Wir agieren innerhalb dieses Verständnisses und deswegen werden wir uns von nun an nicht mehr nur auf einen Raum und einen Akteur beschränken. Heute haben wir unseren Protest in den Gemeinderat tragen, wo über die Verlängerung der Optionsvergabe an Amazon entschieden wurde und in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten wird die Stadt unser Aktionsfeld sein. Wir kommen wieder!

Solidarité avec les étudiants de l’Université de Paris III – Sorbonne Nouvelle

Chères amis,

on voudrait bien à vous exprimer notre solidarité pour vos blocus, vos occupations, vos protestations etaussi les activitées à votres écoles et universitaires. Pareillement, nous, les étudiantes de Tübingen, nous avons occupéune partie du bâtiment d’université pour protester contre ladépendance croissante de l`université à l’égard des entrprises privées, la privation des driotes démocratiques, la réintroductionde frais scolaire, l’obligation de réussir et aussi pour uneclause civile concernant la proteste en maitère de la recherche etde l‘èducation.

Notres contestations sont également contre la conception actuelle et la forme du projet prévu „CyberValley“ à Tübingen. C’est une collaboration de la rechercheentre l’université et des grandes entreprises comme Amazon, Porsche et Bosch, inspiré par le „Silicon Valley“ aux États-Unis.

Ici, nousdemandons pareillement la transparence et la participation, pas dedépendance de l’économie et pas de collaboration en matière dela recherche de l’armure, la défense de la frontière, lasurveillance et le social scoring.

Nous soutenons vos revendications d’abolir des frais scolaires pour les étiudiantes étrangères et nous vous soutenons contre l’augementation des frais d’inscription. Avec intêret et l’enthousiasme nous suivons l’expansion des vos thèmes et vos protests. Votre courage, votre détermination et votre
solidarité nous donnent de l‘espoir et du courage ici en Allemagne.

Face à la repression massive et intolérable des vœux de la violence étatique nous vous souhaitons beaucoup de force et de persévérance dans vos effortes. Laissez-nous protester ensemble et partout pour une science et une éducation ouverte, qui n’est pas empreinté des intérêts d’exploitation. Votre résistance était toujours le point du départ pour un bouleversement solidaire et égalitaire de la société.

La lutte continue – la lutte est partout.

Der Kupferbau ist besetzt!

Es ist Zeit für…

…mehr Mitbestimmungsrechte!

…zivile und gesellschaftsorientierte Forschung!

…bezahlbaren Wohnraum!

Konkreter Anlass der Kupferbau-Besetzung ist die Beteiligung der Uni am „Cyber Valley“ Neckartal, einem Forschungsverbund zu künstlicher Intelligenz (KI), an dem die Universität, die Stadt, das Max-Planck-Institut, vor allem aber private Firmen beteiligt sind. Dazu zählen das Rüstungsunternehmen ZF Friedrichshafen, der Großkonzern Amazon, die Automobilkonzerne Daimler, Porsche und BMW sowie die SCHUFA Holding AG.

Das „Cyber Valley“ steht für den wachsenden Einfluss von profit- und wachstumsorientierten Unternehmen an der Universität. Eine Forschung und Lehre, die unseren Forderungen entspricht, muss sich an gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen orientieren. Voraussetzung dafür ist eine solide Grundfinanzierung, damit Universitäten nicht auf Drittmittel – die zu Abhängigkeiten führen – angewiesen sind.

Von Konkurrenzstreben und Wirtschafts-Orientierung im Wissenschafts-Betrieb haben wir die Nase voll. Zwischen ECTS und Regelstudienzeit treten relevante Diskussionen, kritische Reflexion und politisches Engagement in den Hintergrund. Permanenter Leistungsdruck dominiert uns in der Uni, findet sich aber genau so in Schulen, Lohnarbeit und anderen Bereichen der Gesellschaft wieder. Hinzu kommt, dass auf einigen Studierenden auch ein erheblicher finanzieller Druck lastet: Die Mieten in Tübingen bewegen sich in absurden Höhen und steigen weiter. Insbesondere weniger wohlhabende Studierende müssen neben dem Studium arbeiten, weit anreisen oder sich verschulden. Das „Cyber Valley“ wird die Wohnungsnot verschärfen, da die geplanten ca. dreitausend hochbezahlten Arbeitsplätze den ohnehin schon knappen Wohnraum weiter verteuern werden. Die Folgen werden nicht nur die Studierenden spüren, sondern alle Bewohner*innen der Stadt.

Egal ob Studierende, Beschäftigte der Universität, Schüler*innen oder Bewohner*innen dieser Stadt: Ihr seid herzlich eingeladen, im Kupferbau vorbeizukommen, von euren Problemen zu berichten und eigene Forderungen und Wünsche einzubringen. Wir freuen uns auf euch und eure Unterstützung.

Denken heißt überschreiten!

Von uns geht keine Eskalation aus – von Klunzinger schon!

Leider kam es an diesem Mittwoch Vormittag zu einer gezielten Störung durch Eugen Klunzinger, Lehrbeauftragter für die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät an der Uni Tübingen: Dieser ließ nicht davon ab, seine Vorlesung im besetzten Hörsaal 21 zu halten. Dadurch wurde nicht nur das Stattfinden des offenen 10 Uhr-Plenums verhindert, es zeigte auch die Ignoranz gegenüber des Studierendenprotests. Die Universitätsleitung hatte am Montag Abend keine konkreten Forderungen gestellt und betont, dass von universitärer Seite keine Eskalation ausginge. Über diese Zusage setzte sich Klunzinger heute hinweg. Sein dominanter und respektloser Umgang lässt uns auf eine bewusste und gewollte Provokation schließen, bei der er die Studierenden gezielt gegeneiander ausspielte. Dieses unprofessionelle und ignorante Auftreten halten wir bei einem Uniprofessor für unangemessen.

Da regelmäßiger Kontakt mit der Raumverwaltung besteht, um Vorlesungsausfälle zu vermeiden, war im Voraus bekannt, dass die Vorlesung angeblich nicht verlegt werden könnte. Dass die Aneignung eines einzelnen, nicht besonders großen Hörsaals bereits den Lehrbetrieb lahm legt, unterstreicht damit die strukturelle Unterfinanzierung und Vernachlässigung der Lehre an einer Universität, die den Exzellenzstatus für sich reklamiert. Während das Land im Rahmen der Cyber Valley Initiative dreistellige Millionenbeträge in industrienahe Forschung und den Ausbau des Max-Planck-Instituts steckt, führt der Ausfall eines einzigen Hörsaals bereits zu Verteilungskämpfen unter den Studierenden. Dies verdeutlicht einerseits den Leistungsdruck, unter dem die Studierenden stehen und zeigt, wie richtig unsere Kritik ist. In unserer ersten Stellungnahme hieß es bereits: „Zwischen ECTS, Spezialisierung und Regelstudienzeit treten aufrichtiger Austausch, relevante Diskussionen und politisches Engagement weit in den Hintergrund“; sie werden geradezu unmöglich gemacht, wie der Vorfall heute morgen gezeigt hat.

Der Kupferbau ist nach wie vor besetzt! Der Raum, den wir uns hier genommen haben, wird auch weiterhin als Ort für kritische und reflektierte Auseinandersetzungen dienen. Es wird weiter Vorträge zu politischen Themen und Platz für respektvolle Diskussionen geben.

Von autoritärem Gehabe lassen wir uns nicht einschüchtern. Wir fordern von der Universität, sich Umgangsformen anzueignen, die eine fruchtbare Debatte ermöglichen – Grundlage hierfür wäre eine kohärente Positionierung der Universität.

„Der Rektor ist außerordentlich großzügig, heute!“

Am vergangenen Montagabend bekamen wir im Kupferbau überraschend Besuch vom Englerkomitee: In Erscheinung traten neben dem Rektor Bernd Engler höchstselbst, seine Stellvertreterin Karin Amos, Kanzler Andreas Rothfuß, sowie der Leiter der Hoschulkommunikation Karl Rijkhoek. Die kokette Entourage war mit einer Stunde Zeit gekommen, um Redebereitschaft zu signalisieren und für Verständnis zu werben. Besonders Herr zu Engler schien diesem Vorsatz gerecht werden zu wollen und zeichnete sich durch enormen Redebedarf aus. In der Folge fiel ein Großteil der Zeit den englerschen Allüren zum Opfer. Auf die Frage, warum man sich nicht angekündigt hätte, reagierte Herr zu Engler zunächst ausweichend: „Ich habe irgendwo gelesen, dass wir irgendwann erwartet werden.“. Auf erneute Nachfrage schoben Hochwürden Rothfuß nach, man habe auf ein Entgegenkommen der Besetzer*innen gehofft, bevor nun schließlich selbst die Initiative ergriffen worden war. Den Eindruck einer überfallartigen Überrumpelung hingegen habe man nicht erwecken wollen, beteuerten die Hausrechts-Eigentümer*innen. Generell schien man auf Seiten der Universitätsleitung sehr darum bemüht, sich an diesem Abend nach Möglichkeit als kulante Gönner*innen zu inszenieren.

Das cineastische Klimax dieser Selbstinszenierung mündete schließlich in einem Kommentar von Gnaden Rijkhoek, der Herrn zu Englers Zungenschlägen ungläubig gefolgt sein musste und sich zu dem Ausruf verstieg: „Der Rektor ist außerordentlich großzügig, heute!“. Für einen derart selbstlosen Auftritt der Tübinger Eminenzen bedanken sich die Besetzer*innen nachdrücklich! Ein Austausch auf Augenhöhe war in diesem kafkaesk anmutendem Rahmen leider nicht möglich. Allein auf den bemerkenswerten Bedeutungsunterschied der semantisch zunächst ähnlich erscheinenden Vokabeln Besatzer und Besitzer soll in diesem Zusammenhang noch einmal verwiesen werden: Der öffentliche Raum, der jetzt hier im Kupferbau zur kreativen Gestaltung von Diskussionen und kritischer Reflexion über die drängendsten Fragen der Hochschulpolitik und eminente Missstände in der Stadtentwicklung möglich wurde, ist nicht die Folge einer proaktiven Transparenz-Initiative der Universität oder der Stadt Tübingen. Wir haben diesen Raum nicht wegen eines plötzlichen Anfluges vorweihnachtlicher Milde oder Nächstenliebe zuerkannt bekommen. Wir mussten den Raum nehmen, die Intiative ergreifen und Regeln überschreiten. Wir sind Ausdruck eines wachsenden Widerstands gegen eine Politik der Wenigen, die Profite über grundlegende menschliche Bedürfnisse stellt und ihre Verantwortung bereitwillig an beliebige Ethik-Kommissionen abgibt.

Denken heißt überschreiten!

Von der Besetzung zum sozialen Freiraum

Seit Donnerstag haben wir den Hörsaal 21, des Kupferbaus der Universität Tübingen besetzt. Am heutigen Sonntagabend stehen wir kurz davor, dass das von der Universitätsverwaltung gestellte Ultimatum, die Räume bis Montag morgen um 8:00 Uhr verlassen zu haben, ausläuft.

In der Zwischenzeit haben wir eine Vielzahl unglaublich beeindruckender und verbindender Erfahrungen gesammelt. Von einem Protest gegen das geplante Großprojekt Cyber Valley, einer Initiative zur KI-Forschung, mit welcher auch kommerzielle Rüstungsforschung, Forschung zur Grenzabwehr und Überwachung, Gentrifizierung bei ohnehin bereits astronomischen Mietpreisen und durch Unternehmen wie Amazon und SCHUFA Forschung mit dem Ziel der Konsumdatenaufbereitung in Form des Social-Scorings droht wurde ein Protest zur aktiven Gestaltung eines sozialen Raums, der durch die Besetzung zugänglich wurde. Wir haben diesen Raum Initiativen und Bürger*innen zugänglich gemacht, gemeinsam Materialien, Textilien und Texte gestaltet, sowie Vorträge und Diskussionen angeboten. Neben den zahlreichen Solidaritätsbekundung aus der gesamten Republik und auch praktischer Solidarität durch Unterstützung und Teilnahme, zahlreiche Sach-, Geld- und Essensspenden, hat uns besonders beeindruckt und auch nachhaltig geprägt, wie dieser soziale Raum genutzt wurde um uns von Sorgen, Nöten und Bedürfnissen der Menschen in Tübingen zu berichten.

Studierende, Beschäftigte der Universität und Angestellte des universitären Mittelbaus, Bürger*innen des betroffenen Wohnviertels Wanne und auch Professor*innen kamen vorbei, nahmen zu uns Kontakt auf und berichteten von ihren Problemen. Vom Leben in einer Stadt, in der Wohnen für viele nur mit Nebenjob bezahlbar ist, von unbezahlter Arbeit in der Hoffnung einer befristeten Stelle im universitären Mittelbau im nächsten Semester, von den Auswirkungen einer unfreien und vorbestimmten Lehre durch zunehmende Ökonomisierung und Drittmittelabhängigkeit. Doch sie berichteten nicht nur davon, durch die Möglichkeit sich einem Raum selbst und frei zu gestalten, nahmen sie ihre Chance als handelnde Subjekte war. Bereits jetzt haben wir eine Reihe von Angeboten von Menschen in und außerhalb der Universität, die diese neuen Möglichkeiten nutzen möchten und vor anderen Menschen von ihrer Lage berichten wollen oder Vorträge und Vorlesungen anbieten möchten. Diese Probleme, die Bedarfe der Menschen und das Cyber Valley sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Es sind die direkten Auswirkungen der zunehmenden Ökonomisierung von Bildung in einer Universitätsstadt.

Wir wollen bleiben! Wir wollen diesen Freiraum, der sich nach den Bedürfnissen der Menschen richten kann, die sich selbstermächtigen – nicht aufgeben. Wir wollen diesen Menschen einen Raum und Öffentlichkeit bieten. Uns geht es auch weiterhin um das Cyber Valley, aber die Möglichkeiten, die unsere Protestform mit sich gebracht hat, haben gezeigt es geht um viel mehr. Es geht um die Frage wie wir, dort wo wir leben, leben möchten.