Es ist erstaunlich, was mittlerweile als vertretbare Informationsveranstaltung durchgeht: Man nehme sieben Personen, die an einem Projekt arbeiten, am Bestehen dieses Projektes ein berufliches Interesse haben, also Befürworter, direkte Nutzenziehende sind, stelle diese sieben auf ein Podium und bitte sie darum, über das Projekt objektiv zu informieren. Kann das überhaupt funktionieren? Wird man reflektierte Antworten bekommen?
Die Informatiker*innen, die im Rahmen des „Cyber Valleys“ forschen wollen, meinten anscheinend, dass das ginge. Sonst hätten sie wohl nicht am Dienstag, den 11. Dezember 2018, eine „Informationsveranstaltung“ durchgeführt, in der ohne Ausnahme nur Partizipierende des „Cyber Valleys“ die Wortführung besaßen. Nach dem Motto: Hey, wir verdienen an diesem Projekt, aber wir werden trotzdem objektiv antworten und natürlich beide Seiten ausleuchten.
Spätestens als gegen Ende der Veranstaltung ein kritischer Redebeitrag totgeklopft wurde, machten die Anwesenden klar, dass sie wenig von konsequenter Kritik halten. Dass die Referent*innen hierauf mit Häme reagierten und lieber einen über diesen Sachverhalt wütend gewordenen Redner für den Gebrauch von Kraftausdrücken kritisierten, macht in aller Klarheit deutlich: Die anwesenden Referent*innen wollen nicht „Fick“ sagen, geben gleichzeitig aber einen Fick auf Privatsphäre und wollen lieber Amazon beim Ausbau ethisch fragwürdiger Überwachungstechnologien unterstützen.
Ich bin enttäuscht von der engstirnigen Konformität, die viele der anwesenden Studierenden am Dienstag an den Tag gelegt haben. Die kritiklose Akzeptanz der interessengeleiteten Sichtweise ihrer Dozierenden und das mangelnde Interesse an Ethik lassen mich grundlegend am moralischen Kompass, auf den allein sich eine der Referentinnen in der ethischen Abwägung der Forschung verlassen möchte, zweifeln. Da von den Referent*innen sogar erwähnt wurde, dass „sogar Ethik-Seminare angeboten“ wurden, doch „nur drei Personen diese besucht“ hätten, lässt mich zu der Schlussfolgerung kommen, dass die allermeisten Informatik-Studierenden anscheinend nicht interessiert sind an der ethischen Bewusstwerdung ihrer eigenen Handlungen. Das aber veranlasst mich noch einmal dazu, die „Cyber Valley“ Initiative, aufgrund mangelnder kritischer Reflexionsgabe der daran Beteiligten, grundlegend in Zweifel zu ziehen.
Eine Alternative für die Zukunft der Informatik ist zum Beispiel die Initiative „Informatiker für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung“ (FIfF). Menschen also, die eben nicht nur an guten Noten und der eigenen Karriere interessiert sind, sondern sich kritische Gedanken über das eigene Fach und die Folgen der Zusammenarbeit mit Konzernen wie Amazon machen. Die Informatik als technische Wissenschaft kann erst dann eine wirklich sozial nützliche – sozial nützlich ist nicht unbedingt immer wirtschaftlich nützlich – Disziplin werden, wenn sie sich von Großkonzernen wie Amazon, Daimler, Bosch und anderen befreit und gemeinsam mit sozialwissenschaftlicher Kritik an der Zukunft dieser Disziplin arbeitet. Weswegen das wichtig ist? Technologie ist immer sozial und immer eingebunden in gesellschaftlicheProzesse! Diese Prozesse müssen aber auch von denen reflektiert werden, die an neuen Technologien arbeiten. Ergo: Es braucht Ethik und Soziologie in der Informatik! Zwischen all der Logik und trockenen Zahlenwelt muss reflektiert werden! Leben ist kein Algorithmus und nicht alles lässt sich in Nullen und Einsen ausdrücken.