Von der Besetzung zum sozialen Freiraum

Seit Donnerstag haben wir den Hörsaal 21, des Kupferbaus der Universität Tübingen besetzt. Am heutigen Sonntagabend stehen wir kurz davor, dass das von der Universitätsverwaltung gestellte Ultimatum, die Räume bis Montag morgen um 8:00 Uhr verlassen zu haben, ausläuft.

In der Zwischenzeit haben wir eine Vielzahl unglaublich beeindruckender und verbindender Erfahrungen gesammelt. Von einem Protest gegen das geplante Großprojekt Cyber Valley, einer Initiative zur KI-Forschung, mit welcher auch kommerzielle Rüstungsforschung, Forschung zur Grenzabwehr und Überwachung, Gentrifizierung bei ohnehin bereits astronomischen Mietpreisen und durch Unternehmen wie Amazon und SCHUFA Forschung mit dem Ziel der Konsumdatenaufbereitung in Form des Social-Scorings droht wurde ein Protest zur aktiven Gestaltung eines sozialen Raums, der durch die Besetzung zugänglich wurde. Wir haben diesen Raum Initiativen und Bürger*innen zugänglich gemacht, gemeinsam Materialien, Textilien und Texte gestaltet, sowie Vorträge und Diskussionen angeboten. Neben den zahlreichen Solidaritätsbekundung aus der gesamten Republik und auch praktischer Solidarität durch Unterstützung und Teilnahme, zahlreiche Sach-, Geld- und Essensspenden, hat uns besonders beeindruckt und auch nachhaltig geprägt, wie dieser soziale Raum genutzt wurde um uns von Sorgen, Nöten und Bedürfnissen der Menschen in Tübingen zu berichten.

Studierende, Beschäftigte der Universität und Angestellte des universitären Mittelbaus, Bürger*innen des betroffenen Wohnviertels Wanne und auch Professor*innen kamen vorbei, nahmen zu uns Kontakt auf und berichteten von ihren Problemen. Vom Leben in einer Stadt, in der Wohnen für viele nur mit Nebenjob bezahlbar ist, von unbezahlter Arbeit in der Hoffnung einer befristeten Stelle im universitären Mittelbau im nächsten Semester, von den Auswirkungen einer unfreien und vorbestimmten Lehre durch zunehmende Ökonomisierung und Drittmittelabhängigkeit. Doch sie berichteten nicht nur davon, durch die Möglichkeit sich einem Raum selbst und frei zu gestalten, nahmen sie ihre Chance als handelnde Subjekte war. Bereits jetzt haben wir eine Reihe von Angeboten von Menschen in und außerhalb der Universität, die diese neuen Möglichkeiten nutzen möchten und vor anderen Menschen von ihrer Lage berichten wollen oder Vorträge und Vorlesungen anbieten möchten. Diese Probleme, die Bedarfe der Menschen und das Cyber Valley sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Es sind die direkten Auswirkungen der zunehmenden Ökonomisierung von Bildung in einer Universitätsstadt.

Wir wollen bleiben! Wir wollen diesen Freiraum, der sich nach den Bedürfnissen der Menschen richten kann, die sich selbstermächtigen – nicht aufgeben. Wir wollen diesen Menschen einen Raum und Öffentlichkeit bieten. Uns geht es auch weiterhin um das Cyber Valley, aber die Möglichkeiten, die unsere Protestform mit sich gebracht hat, haben gezeigt es geht um viel mehr. Es geht um die Frage wie wir, dort wo wir leben, leben möchten.