Das Rektorat spricht nicht für die Universität!

Mit einer Pressemitteilung übt das Rektorat der Eberhard Karls Universität Druck auf den Gemeinderat in der Entscheidung um die Ansiedlung von Amazon aus. Das Bündnis gegen das Cyber Valley, der Arbeitskreis Kritische Vortragsreihe Cyber Valley sowie die Ernst-Bloch-Uni-Hochschulgruppe wehren sich gegen den Versuch, die Universität so zu instrumentalisieren. 

Bemerkenswert an der Pressemitteilung der Universitätsleitung ist zunächst die Formulierung, dass „die Universität an alle politisch Verantwortlichen in der Stadt Tübingen appelliert“. Für alle weiteren Zitate wird Rektor Engler als Quelle genannt. Steht es dem Rektor einer Universität zu, in solch kontroverser Angelegenheit für die Universität als Ganzes zu sprechen?

Denn die Kernaussage des als Pressemitteilung getarnten Appells ist steil: Nur mit Amazon – und zwar an genau diesem Ort und zu diesen Bedingungen – sei eine ethisch reflektierte KI-Forschung möglich. Deshalb seien „sachfremde Erwägungen“ z.B hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und Steuervermeidung des Konzerns zugunsten der – offenbar wissenschaftsimmanenten – Strahlkraft des Amazon-Konzerns nicht zu berücksichtigen. Werde Amazon der Bau eines Entwicklungszentrums in Tübingen „verwehrt“, „wäre dies ein verheerendes Signal an KI-Forscherinnen und -Forscher weit über Deutschland hinaus.“ 

„Ähnlich wie der Rektor wünsche ich mir auch, dass an Künstlicher Intelligenz in einem Umfeld geforscht wird, das sich zur gesellschaftlichen Verantwortung von KI-Forschung bekennt. Die Zusammenarbeit mit Amazon steht dem jedoch diametral entgegen. Gesellschaftliche Verantwortung heißt hier eben auch, nicht mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die ihre Mitarbeiter*innen ausbeuten und den Einzelhandel systematisch verdrängen.“, meint Jacob, aktiv im freien zusammenschluss von student*innenschaften.

Dass sich eine Universitätsleitung im Namen „der Universität“ an den Gemeinderat wendet und dabei z.B. das Zahlen von Steuern als „sachfremde Erwägung“ klassifiziert, während sie die Signalwirkung des Verkaufs städtischer Flächen an Amazon an eine internationale Forscher-Community offenbar als ureigenes Interesse des Gemeinderates ansieht, ist bizarr. „Noch vor zwei Wochen stand das Rektorat mit uns auf der Straße, um für eine ausreichende Finanzierung der Universitäten aus Landesmitteln zu demonstrieren. Nun so unverhohlen für die Ansiedlung eines Steuervermeiders zu werben, zeugt von Doppelmoral.“ so Hanna, die in der Ernst-Bloch-Uni-Hochschulgruppe aktiv ist.

Grob irreführend ist auch die Formulierung, der Bau eines Entwicklungszentrums würde „verwehrt“ werden. „Amazon könnte irgendwo im Cyber Valley – zwischen Tübingen und Vaihingen – auf dem privaten Immobilienmarkt ein Gebäude anmieten, will sein Entwicklungszentrum aber genau dort, zwischen den Max-Planck-Instituten, den Cyber Valley-Gebäuden und dem Startup-Campus bauen.“, so Hanna weiter. Das koste auch nur eine halbe Millionen Euro. „Es geht hier nicht darum, irgendwem irgendetwas zu verbieten. Es geht um die Frage, ob man Amazon devot den roten Teppich ausrollen will oder nicht.“

„Es ist für mich völlig unklar, woher der Zwang kommt, unter allen Umständen zum Standort Nummer eins aufsteigen zu müssen. Die Region zählt zu den wohlhabendsten in Europa. Brauchen wir hier wirklich noch mehr Wachstum und Ausverkauf? Das ist nicht nur ökologisch und sozial unter keinen Umständen tragbar, sondern nimmt auch anderen Regionen in der Welt die Möglichkeit, sich wirtschaftlich zu entwickeln. Nachdem nicht nur der Technologiepark, sondern nun auch der Horemer schon fast vollständig verkauft bzw. optioniert sind, stellt sich die Frage, wo all die weiteren Unternehmen und Institute noch Platz finden könnten, die nun durch die Strahlkraft Amazons angelockt werden sollen. Was, wenn nach ZF, Bosch und Amazon noch weitere Cyber Valley Partner hier bauen wollen? Das ist doch purer Größenwahn – eine andere Erklärung erschließt sich mir nicht! In meinem Namen spricht das Rektorat ganz sicher nicht!“ meint Maxi, Student an der Uni Tübingen und aktiv im Bündnis gegen das Cyber Valley.

Was ganz klar gesagt werden muss: Das Rektorat spricht hier nicht für die Universität. Denn ohne Studierende – die sich schon bald keinen Wohnraum mehr leisten könnten –, ohne einen starken Mittelbau, ohne Mitarbeiter*innen, ohne Professor*innen, die in Forschung und Lehre aktiv sind, kann eine freie und emanzipatorische Universität nicht gedacht werden. Lukas vom Arbeitskreis Kritische Vortragsreihe Cyber Valley: „Das Rektorat hat offenbar ein Interesse an einem Cyber Valley, das von übermächtigen, ausbeuterischen Konzernen abhängig ist. Diesem ‚Leuchtturm‘ wird alles untergeordnet – ob es danach noch eine funktionierende Stadt und Universität gibt und wie die Interessen des Rektorats im Widerspruch zu denen der anderen Uni-Angehörigen stehen, ist nachrangig.“

Für Rückfragen steht Ihnen gerne Jacob Bühler zur Verfügung.
(Tel. +49 157 72532231; E-Mail: jacob@blochuni.org)