Von uns geht keine Eskalation aus – von Klunzinger schon!

Leider kam es an diesem Mittwoch Vormittag zu einer gezielten Störung durch Eugen Klunzinger, Lehrbeauftragter für die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät an der Uni Tübingen: Dieser ließ nicht davon ab, seine Vorlesung im besetzten Hörsaal 21 zu halten. Dadurch wurde nicht nur das Stattfinden des offenen 10 Uhr-Plenums verhindert, es zeigte auch die Ignoranz gegenüber des Studierendenprotests. Die Universitätsleitung hatte am Montag Abend keine konkreten Forderungen gestellt und betont, dass von universitärer Seite keine Eskalation ausginge. Über diese Zusage setzte sich Klunzinger heute hinweg. Sein dominanter und respektloser Umgang lässt uns auf eine bewusste und gewollte Provokation schließen, bei der er die Studierenden gezielt gegeneiander ausspielte. Dieses unprofessionelle und ignorante Auftreten halten wir bei einem Uniprofessor für unangemessen.

Da regelmäßiger Kontakt mit der Raumverwaltung besteht, um Vorlesungsausfälle zu vermeiden, war im Voraus bekannt, dass die Vorlesung angeblich nicht verlegt werden könnte. Dass die Aneignung eines einzelnen, nicht besonders großen Hörsaals bereits den Lehrbetrieb lahm legt, unterstreicht damit die strukturelle Unterfinanzierung und Vernachlässigung der Lehre an einer Universität, die den Exzellenzstatus für sich reklamiert. Während das Land im Rahmen der Cyber Valley Initiative dreistellige Millionenbeträge in industrienahe Forschung und den Ausbau des Max-Planck-Instituts steckt, führt der Ausfall eines einzigen Hörsaals bereits zu Verteilungskämpfen unter den Studierenden. Dies verdeutlicht einerseits den Leistungsdruck, unter dem die Studierenden stehen und zeigt, wie richtig unsere Kritik ist. In unserer ersten Stellungnahme hieß es bereits: „Zwischen ECTS, Spezialisierung und Regelstudienzeit treten aufrichtiger Austausch, relevante Diskussionen und politisches Engagement weit in den Hintergrund“; sie werden geradezu unmöglich gemacht, wie der Vorfall heute morgen gezeigt hat.

Der Kupferbau ist nach wie vor besetzt! Der Raum, den wir uns hier genommen haben, wird auch weiterhin als Ort für kritische und reflektierte Auseinandersetzungen dienen. Es wird weiter Vorträge zu politischen Themen und Platz für respektvolle Diskussionen geben.

Von autoritärem Gehabe lassen wir uns nicht einschüchtern. Wir fordern von der Universität, sich Umgangsformen anzueignen, die eine fruchtbare Debatte ermöglichen – Grundlage hierfür wäre eine kohärente Positionierung der Universität.

„Der Rektor ist außerordentlich großzügig, heute!“

Am vergangenen Montagabend bekamen wir im Kupferbau überraschend Besuch vom Englerkomitee: In Erscheinung traten neben dem Rektor Bernd Engler höchstselbst, seine Stellvertreterin Karin Amos, Kanzler Andreas Rothfuß, sowie der Leiter der Hoschulkommunikation Karl Rijkhoek. Die kokette Entourage war mit einer Stunde Zeit gekommen, um Redebereitschaft zu signalisieren und für Verständnis zu werben. Besonders Herr zu Engler schien diesem Vorsatz gerecht werden zu wollen und zeichnete sich durch enormen Redebedarf aus. In der Folge fiel ein Großteil der Zeit den englerschen Allüren zum Opfer. Auf die Frage, warum man sich nicht angekündigt hätte, reagierte Herr zu Engler zunächst ausweichend: „Ich habe irgendwo gelesen, dass wir irgendwann erwartet werden.“. Auf erneute Nachfrage schoben Hochwürden Rothfuß nach, man habe auf ein Entgegenkommen der Besetzer*innen gehofft, bevor nun schließlich selbst die Initiative ergriffen worden war. Den Eindruck einer überfallartigen Überrumpelung hingegen habe man nicht erwecken wollen, beteuerten die Hausrechts-Eigentümer*innen. Generell schien man auf Seiten der Universitätsleitung sehr darum bemüht, sich an diesem Abend nach Möglichkeit als kulante Gönner*innen zu inszenieren.

Das cineastische Klimax dieser Selbstinszenierung mündete schließlich in einem Kommentar von Gnaden Rijkhoek, der Herrn zu Englers Zungenschlägen ungläubig gefolgt sein musste und sich zu dem Ausruf verstieg: „Der Rektor ist außerordentlich großzügig, heute!“. Für einen derart selbstlosen Auftritt der Tübinger Eminenzen bedanken sich die Besetzer*innen nachdrücklich! Ein Austausch auf Augenhöhe war in diesem kafkaesk anmutendem Rahmen leider nicht möglich. Allein auf den bemerkenswerten Bedeutungsunterschied der semantisch zunächst ähnlich erscheinenden Vokabeln Besatzer und Besitzer soll in diesem Zusammenhang noch einmal verwiesen werden: Der öffentliche Raum, der jetzt hier im Kupferbau zur kreativen Gestaltung von Diskussionen und kritischer Reflexion über die drängendsten Fragen der Hochschulpolitik und eminente Missstände in der Stadtentwicklung möglich wurde, ist nicht die Folge einer proaktiven Transparenz-Initiative der Universität oder der Stadt Tübingen. Wir haben diesen Raum nicht wegen eines plötzlichen Anfluges vorweihnachtlicher Milde oder Nächstenliebe zuerkannt bekommen. Wir mussten den Raum nehmen, die Intiative ergreifen und Regeln überschreiten. Wir sind Ausdruck eines wachsenden Widerstands gegen eine Politik der Wenigen, die Profite über grundlegende menschliche Bedürfnisse stellt und ihre Verantwortung bereitwillig an beliebige Ethik-Kommissionen abgibt.

Denken heißt überschreiten!

Pressemitteilung vom 2. Dezember 2018

Am Donnerstag, den 29.11., wurde um 20 Uhr der Hörsaal-Komplex ‚Kupferbau‘ der Universität Tübingen besetzt. Überwiegend Studierende protestieren damit gegen das geplante Großprojekt “Cyber Valley“. Das “Cyber Valley“ soll das führende Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (KI) in Baden-Württemberg werden. Dafür wollen sich Großunternehmen, darunter BMW, ZF Friedrichshafen und Amazon, in der Stadt ansiedeln. Auch die Universität Tübingen und das Max- Planck-Institut sind Teil dieser Forschungs-Kooperation. Kritiker*innen befürchten dadurch eine intransparente Verflechtung von privaten, wirtschaftlichen Interessen mit der freien Wissenschaft und fordern eine starke Zivilklausel. Die Besetzung wurde von der Universität Tübingen vorübergehend bis Montag, 8 Uhr geduldet. Über das Wochenende fanden in dem besetzen Gebäude unterschiedliche Informations-Veranstaltungen statt. Für Montag müssen die Demonstrierenden nun die Räumung durch die Polizei befürchten.

Eine Darstellung der Erfahrungen der Besetzenden ist dieser Pressemitteilung beigefügt.

Die komplette Stellungnahme und Liste der Forderungen sind online unter: https://www.blochuni.org/Kupferbau/2018/11/29/es-ist-zeit/

Veranstaltungshinweis: Der Kupferbau ist besetzt! – Gegen das Cyber Valley in Tübingen!

Das Cyber Valley ist eine Forschungskooperation des Landes BW, den Unis Stuttgart und Tübingen, dem Max-Planck Institut sowie einigen Großkonzernen wie Amazon, ZF, der SCHUFA und den wichtigsten Vertretern der deutschen Automobilindustrie. Das Neckartal soll dabei zum europäischen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz Forschung werden.

Durch 3000 neue, gut bezahlte Arbeitsplätze werden die Mieten noch weiter steigen: Weniger Wohlhabende werden in noch größerem Maße verdrängt!

Es gibt nur eine schwache Zivilklausel: Tübingen soll fester Bestandteil militärischer KI-Forschung werden!

Firmen wie Amazon und die SCHUFA erhalten erheblichen Einfluss auf die Forschung und Zugriff auf die Ergebnisse!

Kommt vorbei: Info-Vortrag mit anschließendem Konzert, Samstag (heute) 01.12.2018 um 20 Uhr im Kupferbau. Schon ab 15 Uhr wird es Input und Vorträge geben.

Kommt auch am Sonntagab 14 Uhr gibt es Café, Kuchen und Diskussion im Kupferbau.

Wir freuen uns auf euer Kommen!

Es ist Zeit!

Der Kupferbau ist besetzt!

Konkreter Anlass ist die Beteiligung der Uni am Cyber Valley, einem Forschungsverbund, an dem neben der Universität, die Stadt, das Max-Planck-Institut und vor allem private Firmen, darunter ein Rüstungsunternehmen, die SCHUFA Holding AG, der Großkonzern Amazon sowie die wichtigsten Vertreter*innen der Automobilindustrie, beteiligt sind.

Wir wollen keine Zusammenarbeit mit – und Beeinflussung durch – Amazon, SCHUFA oder Rüstungsunternehmen, wie ZF Friedrichshafen, in Tübingen. Auch die Zusammenarbeit mit der Automobilindustrie sehen wir kritisch: Der motorisierte Individualverkehr ist maßgeblich für die Klimazerstörung verantwortlich, die in den kommenden Jahrzehnten das Leben von Millionen bedrohen wird – ob autonom fahrend oder nicht.

Wir wünschen uns eine emanzipatorische Wissenschaft, die an Lösungen für wirkliche Probleme der Menschheit arbeitet: Klimazerstörung, globale Ungerechtigkeit oder Energieversorgung sollten im Zentrum der Forschung stehen, nicht aber Konsumbedürfnisse, Rüstung oder Machtinteressen.
Selbstverständlich kann KI einen Beitrag zu deren Lösung leisten – allerdings nur transparent und in kontinuierlicher demokratischer Auseinandersetzung, die durch eine ständige Reflexion aus verschiedenen, auch ethischen und sozialen, Perspektiven gepflegt wird. Das Cyber Valley dagegen steht für einen weiteren Einfluss von profit- und wachstumsorientierten Unternehmen und damit in eindeutigem Widerspruch zu unserer Vision von Wissenschaft.

Eine Forschung und Lehre, die unseren Vorstellungen entspricht, muss sich an gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen, Werten und Zielen orientieren. Voraussetzung dafür ist eine solide Grundfinanzierung, damit Universitäten nicht auf Drittmittel, die oft zu Abhängigkeit von Privatinteressen führen, angewiesen sind.

Wir sehen die Begeisterung für das Cyber Valley auch als Ergebnis des gesellschaftlich vorherrschenden Konkurrenzdenkens – warum sonst sollte das Argument, der Forschungsverbund sei notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben, so viel Beachtung erfahren? Von Konkurrenzstreben jedoch haben wir die Nase voll: Jeden Tag spüren wir einen unerträglichen Leistungszwang. Zwischen ECTS, Spezialisierung und Regelstudienzeit treten aufrichtiger Austausch, relevante Diskussionen und politisches Engagement weit in den Hintergrund. Leistungsdruck dominiert uns in der Uni, findet sich aber genau so in Schulen und anderen Bereichen der Gesellschaft wieder.

Hinzu kommt, dass auf einigen Studierenden auch ein erheblicher finanzieller Druck lastet: Die Mieten in Tübingen bewegen sich in absurden Höhen und steigen weiter. Insbesondere weniger wohlhabende Studierende müssen neben dem Studium arbeiten, weit anreisen oder sich verschulden. Damit wird soziale Ungleichheit zementiert. Darüber hinaus tragen Studierende, häufig alleinstehend und in kurzer Mietdauer, unfreiwillig zur enormen Mietpreissteigerung bei.
Wir befürchten, dass mit dem Cyber Valley die Mieten weiter ansteigen: Etwa dreitausend Arbeitsplätze werden geschaffen, die meisten davon sehr gut bezahlt. Die Folgen werden nicht nur die Studierenden spüren, sondern alle Bewohner*innen der Stadt. Verschärft wird die prekäre Situation der Studierenden regelmäßig durch Studiengebühren und hohe Hürden bei der Beantragung von BAföG.

Wir fordern also:

Kein Cyber Valley in Tübingen!

Die Universität und das Max-Planck-Institut sollen ihre Kooperation mit den beteiligten Akteur*innen beenden. Wir akzeptieren vor allem keine Zusammenarbeit mit Amazon, ZF Friedrichshafen und der SCHUFA.

Stärkere Mitbestimmung der Studierenden!

Die Universität muss demokratisiert werden, Studierende müssen bei wichtigen Beschlüssen und Prozessen eine entscheidende Rolle spielen. Wir fordern die Wiederherstellung sämtlicher Mitbestimmungs-, und politischer Rechte aller verfassten Studierendenschaften und studentischer Organisationen.

Transparenz der Forschung an der Universität Tübingen!

Wir fordern die Offenlegung aller laufenden und sich in Planung befindenden Kooperations- und Forschungsprojekte an der Universität Tübingen. Erst dann ist eine demokratische Beteiligung der Studierenden möglich.

Schluss mit Leistungsdenken!

Ein Studium soll sich an der Gesellschaft, der Umwelt und am Menschen orientieren. Selbstbestimmung und Verantwortungsbewusstsein sind dafür zentrale Voraussetzungen. Insbesondere Zeit und Unterstützung für kritische Reflexion, Beteiligung und politisches Engagement müssen daher gegeben sein.

Weg mit den Bologna-Reformen!

Finanzielle Entlastung der Studierenden!

Wir brauchen bezahlbaren studentischen Wohnraum. Alle Studiengebühren müssen abgeschafft werden. Darüber hinaus müssen Studierenden die Lebenshaltungskosten bedingungslos bereitgestellt werden. Wir schließen uns diesbezüglich der Forderung des FZS an.

Solide Grundfinanzierung der Uni!

Damit die Forschung sich an gesellschaftlichen Interessen, Werten und Problemen orientieren kann, darf sie nicht auf private Finanzierung aus der Wirtschaft angewiesen sein.

Eine starke Zivilklausel!

Keine Forschung für militärische Zwecke, auch nicht verschleiert. Wir fordern eine starke und umfassende Zivilklausel, nicht nur für die Universität Tübingen, sondern für das gesamte Stadtgebiet.

Egal ob Studierende, Beschäftigte der Universität, Schüler*innen oder Bewohnende dieser Stadt: Es geht uns alle an! Kommt vorbei, informiert euch, macht mit und gestaltet den Protest nach euren Vorstellungen und Wünschen – oder zeigt einfach eure Zustimmung. Schließt euch uns an! Besetzt mit uns die Hörsäle in Tübingen und anderen Städten! Offensichtlich müssen wir Regeln übertreten, um gehört zu werden.

Wir freuen uns auf euch und eure Unterstützung – Denken heißt überschreiten!