Diese Woche Montag, 10.12.2018 fand um 14 Uhr die Rektor-‚Wahl‘ im Großen Senat der Universität Tübingen statt. Passend zur Tatsache, dass es neben dem bereits amtierenden Rektor Bernd Engler keine Gegenkandidatur gab, war der Tagesordnungspunkt unter der Überschrift „Wiederwahl des Rektors“ gelistet. Trotz nur schwer zugänglichen Informationen zum Ablauf der vorgezogenen Wahl erschienen etliche Gäste und Interessierte. Darunter befanden sich auch zahlreiche Kritiker*innen, die aus Protest über weitreichende, strukturelle Probleme an der Universität Tübingen seit über einer Woche den Hörsaalkomplex Kupferbau besetzt halten.
Aus dieser Besetzung hatten sich circa 30 Personen zur angekündigten Zeit vor dem Großen Senat eingefunden, wurden aber zunächst am Betreten der öffentlichen Sitzung durch Sicherheitspersonal gehindert. Nur, weil man beharrlich auf den Zutritt bestand, wurde schließlich doch Zugang gewährt. Mit dem Eintreffen des Rektors im Großen Senat hielten die Protestierenden dann eine Krönungs-Zeremonie ab: unter Fanfarenchören überreichten die Aktivistis Bernd Engler feierlich eine goldene Krone. Dabei wurde immer wieder „Unser König!“ gerufen. Gerne hätte Engler den Protest einfach weggelächelt, sah sich jedoch aufgrund von Nachfragen aus dem Publikum dazu genötigt, länger Stellung zu beziehen, wodurch sich die Wahl insgesamt um eine halbe Stunde verzögerte.
Der Protest richtete sich gegen die vorgezogene Rektorenwahl ohne Gegenkanditat*in, die als Symptom intransparenterUniversitäts-Strukturen kritisiert wurde. Hierzu trage auch der wachsende Einfluss wirtschaftlicher Akteuer*innen bei, der inzwischen so weit reicht, dass Unternehmensvertreter*innen über eine Mehrheit im Unirat verfügen. Damit einher gehe die zunehmende Verwirtschaftlichung und Orientierung am Profit bei der universitären Forschung und Lehre. Des Weiteren wurde eine unzureichende Zivilklausel an der Universität beklagt, die auch auf die Stadt ausgeweitet werden müsse. Die Kupferbau-Besetzer*innen setzten sich außerdem für eine Offenlegung der Pläne rund um die Forschugskooperation „Cyber Valley“ ein.
Seit Donnerstag, 29.11. protestieren Kritiker*innen des Großprojekts „Cyber Valley“ mit der Besetzung des Kupferbaus. Das „CyberValley“ ist eine Forschungs-Initiative zu künstlicher Intelligenz zwischen der Universität Tübingen und mehreren Unternehmen, darunter Amazon, Porsche, Bosch und die SCHUFA. Gegner*innen der Intitiative kritisieren das Fehlen einer Zivilklausel für den Technologiepark und mangelnde Transparenz und Reflexion bei der Forschung. Außerdem werden als Befürchtungen immer wieder die Zuspitzung der Wohnungsnot durch Verdrängung und steigende Mieten genannt.