Miteinander statt gegeneinander – Hochschulgruppe für eine Ernst-Bloch-Uni Tübingen kritisiert Exzellenzstrategie

In einer Stunde wird die Entscheidung zur Exzellenzstrategie veröffentlicht. Während einige wenige Hochschulen sich anschließend über mehr Geld freuen dürfen, geht ein Großteil leer aus. Die Exzellenzstrategie trägt damit genauso wie die Exzellenzinitiative maßgeblich zur Ökonomisierung von Hochschulen bei. Statt freier Forschung und Lehre sollen Hochschulen wie Unternehmen geführt werden und gegeneinander konkurrieren. Statt sich gegen diesen neoliberalen Wettkampf zu wehren, machen die meisten Unis dabei stillschweigend mit und stecken viel Zeit und Energie in die Bewerbung für den Exzellenzstatus.

Dabei ist die Vergabe selbst völlig willkürlich. Bei den Exzellenzclustern werden größtenteils naturwissenschaftliche Projekte gefördert, die sich leicht kommerzialisieren lassen. Die Vergabe des Exzellenzstatus hingegen basiert auf einer schriftlichen Bewerbung der jeweiligen Unis und einer anschließenden zweitägigen Besichtigung, bei der die Unis eine perfekt inszenierte Fassade aufbauen und versuchen, sich möglichst gut darzustellen. Bei der Besichtigung sind zwar auch vereinzelt Studis anwesend, eine kritische Auseinandersetzung mit der Uni ist in dem ganzen Theaterstück jedoch nicht möglich. Und auch was nach der Besichtigung passiert ist komplett intransparent – warum welche Unis ausgewählt werden nur schwer nachvollziehbar.
Die Exzellenzstrategie vermittelt so das genaue Gegenteil einer emanzipatorischen, demokratischen und aufgeklärten Universität.


Morgen, am 19. Juli 2019, wird die Entscheidung über die aktuelle Vergaberunde der Exzellenzstrategie gefällt. Einige Universitäten freuen sich über die zusätzlichen Mittel und den Titel, viele werden leer ausgehen. Ganz gleich, wie der Einzelfall entschieden wird – wir lehnen die Exzellenzstrategie nach wie vor bestimmt ab.

Karim Kuropka, erster Vorsitzender der Studierendenvertretung der Uni Hamburg begründet: „Staatliche Hochschulen sind unterfinanziert. Alle staatlichen Hochschulen! Unterfinanzierung bedeutet, dass die Breite der Lehrveranstaltungen nur unter größeren Anstrengungen und durch die kreative Umwidmung alternativer Finanzquellen gestemmt werden können. Unterfinanzierung bedeutet die dauerhafte Befristung der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen unter prekären Arbeitsbedingungen.“

Nathalie Schmidt, Geschäftsführerin für Soziales und Hochschulpolitik vom StuRa der TU Dresden und damit der einzigen Universität in Ostdeutschland, die noch Aussicht auf den Exzellenzstatus hat, erläutert weiter zu den Folgen: „Einige wenige ‚exzellente‘ Universitäten bekommen nun massive finanzielle Unterstützung, während der Rest mit enormen finanziellen Problemen kämpfen muss. Es entsteht ein 2-Klassen-System, in dem ein Großteil der Hochschulen durch Sparzwang beschränkt wird. Dabei ist die Breite der Forschungslandschaft gerade eine Stärke, der man sich hier beraubt.“

Jonathan Dreusch, Vorsitzender der Verfassten Studierendenschaft der Uni Tübingen berichtet von Erfahrungen aus studentischer Perspektive: „Es wurden enorme Kapazitäten aller teilnehmenden Universitäten in diesem Wettbewerb und in den Bewerbungen gebunden. Diese Kapazitäten standen für andere Projekte über einen langen Zeitraum nicht zur Verfügung. Maßnahmen bezüglich Lehre und weitere studienbegleitende Projekte fanden somit zu wenig Beachtung. Dass Lehre in der Exzellenzstrategie nicht mitberücksichtigt wird, ist ein fataler Fehler – Hochschulen können nicht ohne Lehre gedacht werden!“

Marc Baltrun, Außenreferent der Studierendenvertretung der Uni Heidelberg fordert: „Geld muss in den Erhalt der Bildungslandschaft und Vielfalt investiert werden. Es muss für eine ausreichende Grundfinanzierung gesorgt werden, anstatt für das eigene Ego und ein paar leere Titel eine Spaltung zu schaffen, die keiner Universität, keinen Studierenden und keinen Lehrenden auf lange Sicht nützt. Eine ausreichende Grundfinanzierung würde zu einer emanzipatorischen Wissenschaft beitragen, die allen zu Gute kommt.“

„Wir sprechen hier gemeinsam als Studierendenvertretungen, deren Unis aktuell in Konkurrenz zueinanderstehen. Es ist Zeit, diesem sinnlosen Wettbewerb für die Zukunft ein Ende zu setzen. Wir fordern ein Ende der Exzellenzstrategie!“ betont Clemens Ernst, Vorstand der Verfassten Studierendenschaft der Uni Freiburg.

Beteiligte Studierendenvertretungen:

  • Humboldt-Universität zu Berlin 
  • Freie Universität Berlin 
  • Technische Universität Braunschweig
  • Technische Universität Dresden 
  • Albert-Ludwigs-Universität Freiburg 
  • Universität Hamburg 
  • Leibniz Universität Hannover
  • Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 
  • Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 
  • sog. »Eberhard Karls Universität Tübingen«