Parlamentarische Hochschulpolitik ist weitgehend witzlos. Die Universität ist ein undemokratischer Laden, das Rektorat hat die Vollmachten eines feudalen Königs. Und auch die Dekane (in Tübingen sämtlich Männer) der Fakultäten herrschen unnachgiebig über ihre Fürstentümer. Dennoch wird den Studierenden durch die alljährlich stattfindenden Wahlen zu Studierendenrat und Senat das Gefühl vermittelt, bei den zu treffenden Entscheidungen ein Wörtchen mitreden zu dürfen. Viele Hochschulgruppen nutzen diese Situation im Wahlkampf und versprechen das Blaue vom Himmel. Dabei entsteht der Eindruck, man könne im StuRa beschließen, Obst in der Mensa günstiger zu machen, die Bibliothek länger zu öffnen, Wohnheime bauen zu lassen oder die baden-württembergische Regierung dazu zu zwingen, mehr Gelder und Mittel für die Lehre zur Verfügung zu stellen. Das alles ist natürlich Unsinn; diese Entscheidungen fallen überhaupt nicht in den Zuständigkeitsbereich der studentischen Gremien. Sollte doch eine der Forderungen umgesetzt werden, dann weit häufiger nicht durch, sondern eher trotz der Gewählten. Angesichts der mithin katastrophalen Zustände an der Universität wollen wir jedoch weder in resignierte Tatenlosigkeit noch in pseudo-intellektuelle Überheblichkeit verfallen: dafür gibt es zu viel zu tun!
Dem StuRa obliegt unter anderem die Verwendung von finanziellen Mitteln für studentische Projektförderung. Es ist essentiell, dass diese für sinnvolle Projekte mit emanzipatorischem Anspruch zur Verfügung stehen. Diese Förderung ist aufgrund fehlendem emanzipatorischen Anspruch und Inhalt im täglichen Wissenschaftsbetrieb dringend nötig: der Konsum von Wissen muss dem lebendigen Vollzug von Erkenntnis weichen! Die neoliberale Universität verunmöglicht dies zusehends.
Der Leitsatz, Wissenschaft müsse »unabhängig« sein, ist angesichts der Realität einer mehr und mehr drittmittelabhängigen Universität in der Gegenwart selbst hochgradig ideologisch. Die Wissenschaft soll Partei ergreifen! Sie soll im Dienste einer besseren Gesellschaft stehen: verbindliche, interdisziplinäre Kritik äußern an Institutionen und Entwicklungen, die einem menschenwürdigen Leben im Wege stehen. Da wir in dieser Hinsicht vom wissenschaftlichen Tagesgeschäft wenig bis nichts zu erwarten haben, liegt es auch hier an uns, zu handeln. Lesekreise, Buchvorstellungen, Veranstaltungsreihen, Gruppen und Initiativen, die in diesem Sinne arbeiten, sollen mit Geldern und Räumen unterstützt und kritische, selbstorganisierte Lehre verstetigt werden. Die Hochschule muss mehr sein als eine Institution der Renditemaximierung und Humankapitalbildung.
Entsprechend muss Exklusion im Bildungswesen konsequent begegnet werden: darum sind jede Form von Studiengebühren, Zulassungsbeschränkungen und Etablierung exklusiver Kulturen strikt abzulehnen. Barrierefreiheit an allen Universitätsstandorten und studentische Freiräume sind dafür dringend nötig. Frauen* sind in Forschung und Lehre nach wie vor dramatisch unterrepräsentiert.
Die Parlamente, Gremien und Räte werden uns keine andere Universität ermöglichen. Die Transformation zu einer ökologischen, antifaschistischen und emanzipatorischen Hochschule in rätedemokratischer Selbstverwaltung können wir nur selbst gestalten!
Dennoch ist es notwendig, wählen zu gehen. Denn Mehrheiten von reaktionären, »konservativen«, »liberalen« und allgemein »parteinahen« Gruppen in den Gremien der studentischen und akademischen Selbstverwaltung wurden stets von Rektoraten und anderen Universitäten Akteur*innen dazu missbraucht, neoliberale Interessen umzusetzen. Die »Legitimierung« durch Universitätswahlen hängt aus Sicht der Universität nicht von Wahlbeteiligung, Arbeit der Vertreter*innen oder Inhalten ab, sondern allein daran, ob ihnen das Ergebnis gefällt. Eben ganz wie bei einem feudalen König. Durch Wahlen (allein) können wir keine Verbesserungen erreichen, aber wir können zumindest jene Alternativen stärken, welche uns auf unserem Weg zu einer anderen Universität weniger zusätzliche Steine in den Weg legen, sondern für eine gemeinsame, unabhängige Studierendenvertretung kämpfen. Wählen allein reicht nicht.